
Ab wann darf ich nach einem Herzinfarkt wieder auf den Gabelstapler? Der Mitarbeiter ist schon zweimal im Betrieb ohnmächtig geworden, kann ich ihn überhaupt noch Lkw fahren lassen? Muss ich mit meiner neuen Diagnose Diabetes den Führerschein abgeben? Lesen Sie dazu unsere nachfolgenden Beispiele.
Auch die Ergebnisse einer betriebsärztlichen Untersuchung unterliegen der ärztlichen Schweigepflicht.
Der Pkw-Klassiker
Die Vertriebsmitarbeiterin Jessika fährt einen dienstlichen Pkw mit dem Führerschein Klasse B. Ihr Fahr-verhalten ist seit Beschäftigungsbeginn unauffällig.
- Als Arbeitgeber lassen Sie sich mindestens jährlich die gültige Fahrerlaubnis vorlegen. Gemäß Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) sind hier keine weiteren Eignungs-beurteilungen vorgesehen.
Der Lkw-Klassiker
Daniel arbeitet als Auslieferungsfahrer in einem Möbelhaus. Mit seinem Führerschein Klasse C nimmt er gemäß FeV alle fünf Jahre an der medizinischen Fahreignungsprüfung zur Neuausstellung seines Führerscheins teil.
- Solange Daniel als Fahrer arbeitet, gesund ist und sein Fahrverhalten unauffällig bleibt, gibt es keinen Anlass für häufigere Eignungsbeurteilungen außer der mindestens jährlichen Vorlage der Fahrerlaubnis beim Arbeitgeber.
Gesundheitsstörung
Jessika erzählt ihrem Vorgesetzten, dass sie jetzt „zuckerkrank“ sei. In den letzten zwei Wochen war sie wegen der Einstellung ihres Diabetes mit Insulin bei einer Schulung und dadurch arbeitsunfähig. Auf Nachfrage erklärt sie, weder bei der Schulung noch bei ihrem Arzt sei das Thema Autofahren angesprochen worden. Ihr Vorgesetzter ist verunsichert.
- Auf Basis der sachlich begründeten Eignungszweifel veranlasst Jessikas Arbeitgeber eine Fahreignungs-beurteilung beim Betriebsarzt. Bis dahin arbeitet Jessika im Innendienst.

Auffälliges Fahrverhalten
Daniels Mitfahrer berichtet dem Vorgesetzten, dass
Daniel in den letzten Wochen mehrfach Ausfahrten verpasst und erst im letzten Moment vor roten Ampeln gebremst habe. Er sei besorgt und wolle nicht mehr bei Daniel im Wagen mitfahren. Im Gespräch mit dem Vorgesetzten will Daniel zu den Vorwürfen nichts sagen. Zeitgleich geht in der Firma jedoch ein zu dem Bericht passender Bußgeldbescheid für Daniels Lkw ein.
- Daniels Arbeitgeber veranlasst auf Basis der nachvollziehbaren Eignungszweifel eine
vorzeitige Fahreignungsbeurteilung, da nach FeV eine Prüfung erst in zwei Jahren notwendig wäre. Heute fährt Daniel mit seiner neuen Brille wieder sicher und zuverlässig.
Besondere Gefährdung
Inzwischen ist Daniel innerbetrieblich in das Hochregallager seiner Firma gewechselt, hat seinen Staplerschein gemacht und arbeitet sowohl mit dem Gabelstapler als auch mit Hubarbeitsbühnen. Im Lager ist viel los, Flurförderzeuge und Fußgänger sind dort gleichzeitig unterwegs.
- Wegen der besonderen Gefahrengeneigtheit hat Daniels Arbeitgeber in Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat eine regelmäßig wiederkehrende Eignungsprüfung für alle Fahrerinnen und Fahrer im Hochregallager arbeitsvertraglich vereinbart.
Dr. Kerstin Einsiedler
Arbeitsmedizinerin bei der BG Verkehr
Oft nachgefragt
- Die arbeitsmedizinische Vorsorgeverordnung (ArbMedVV) aus dem Jahr 2008 kennt keine Vorsorge für Fahr-, Steuer-und Überwachungs-tätigkeiten. Die ehemalige G 25, wie sie noch von vielen Menschen genannt wird, ist weder eine Pflichtvorsorge noch eine Angebotsvorsorge, sondern eine Eignungsbeurteilung.
- Die Beschäftigten müssen medizinischen Untersuchungen und der Ergebnismitteilung einer Eignungsbeurteilung an die Unternehmensleitung immer freiwillig zustimmen. Gegebenenfalls können sich jedoch bei einer Weigerung arbeits-rechtliche Konsequenzen ergeben.
- Eine Eignungsbeurteilung ist nicht zwingend an den betriebsärztlichen Dienst der Firma gebunden, nicht einmal an einen Facharzt für Arbeitsmedizin. Allerdings lohnt es sich, vorher darüber nachzudenken, welchen Stellenwert Arbeitsplatzkenntnisse in der Eignungsbeurteilung bekommen könnten.
- Viele Unsicherheiten rund um die Fahreignungsprüfung betreffen arbeitsrechtliche Aspekte. Holen Sie sich frühzeitig fachlichen Rat und beziehen Sie Ihre Beschäftigten mit ein.
- Niemand ist gezwungen, von sich aus die Führerscheinstelle über Gesundheitsprobleme zu informieren oder dort ohne Aufforderung seinen Führer-schein abzugeben. Aber die Teilnahme am Straßen-verkehr ist an bestimmte Voraussetzungen geknüpft.
- Eigenverantwortung: Wenn ich mich ans Steuer setze, bin ich für meine aktuelle Fahrtauglichkeit verantwortlich.
- Haftung: Wenn ich weiß, dass ich eine Erkrankung habe oder Medikamente nehme, die in puncto Fahrtätigkeit Probleme machen können, muss ich diese Frage klären lassen, bevor ich mit dem Fahrzeug am Straßenverkehr teilnehme.
- Absichern: Kleine Fragen können die behandelnden Ärzte meist direkt klären, zum Beispiel den zeitlichen Abstand zwischen Medikamenteneinnahme und Fahrtätigkeit. Komplexere Fragen brauchen oft ein verkehrsmedizinisches Gutachten.
- Ansprechperson: Eine gute Wahl ist immer der
Betriebsarzt oder die Betriebsärztin. Wenn die Klärung der Frage nach Fahreignung eine zusätzliche Spezialisierung erfordert, geben Landesärztekammern Auskunft über verkehrsmedizinische Gutachter aller Facharztrichtungen.
Weiterführende Informationen
Eignungsbeurteilungen in der betrieblichen Praxis
DGUV Information 250-010