Dr. Jörg Hedtmann (links) und Wolfgang Laske im Fahrerhaus eines Lkw.
© Marco Grundt
Dr. Jörg Hedtmann (links) und sein Nachfolger Wolfgang Laske. © Marco Grundt

Herr Dr. Hedtmann, wie hinterlassen Sie Ihrem Nachfolger den Geschäftsbereich Prävention der BG Verkehr?

Hedtmann: Hoffentlich gut aufgestellt und geordnet. Wir haben den Präventionsdienst in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten ge­meinsam aufgebaut, zusammen mit großartigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Dieser Präventionsdienst hat großes Potenzial, große Fähigkeiten und hat auch schon viel geleistet.

Herr Laske, das klingt nach großen Fußstapfen. Sind Sie dankbar dafür, ein gut bestelltes Haus zu übernehmen oder fehlt da etwas die Luft nach oben?

Laske: Man ist gerade im Präventionsgeschäft ja nie wirklich am Ziel. Insofern würde ich sagen, dass wir gut dafür vorbereitet sind, in die Richtung zu gehen, in die wir die Prävention bewegen möchten.

Hedtmann: Verwaltungseinheiten wie der Präventionsdienst einer Berufsgenossenschaft lassen sich ja nicht revolutionär umstruktu­rieren. Als ich vor 19 Jahren die Leitung der Prävention übernahm, hatte ich eine bestimmte Vorstellung, was ich damit machen wollte. Diese Ideen hatten sich nach den ersten 100 Tagen fast erledigt. Man stößt auf Widerstand, Bedenken und auf Gewohnheiten, die sich eingeschliffen haben. Und trotzdem ist die Prävention der BG Verkehr heute etwas völlig anderes als das, was ich im Jahr 2006 übernom­men habe. Es hat sich in die Richtung entwickelt, die ich gewollt habe. Veränderungen sind möglich, aber sie dauern viel länger, als man am Anfang erwartet. Und wenn es geschafft ist, geht es sofort weiter.

Dr. Jörg Hedtmann steht an der offenen Beifahrertür eines Lkw und hält einen Schlüssel in die Höhe.
© Marco Grundt
Dr. Jörg Hedtmann

Viel Einarbeitungszeit wird Herr Laske nicht benötigen. Er war lange Ihr Stellvertreter und seine Dienstzeit bei der BG Verkehr ist sogar länger als Ihre, Herr Dr. Hedtmann. Sie sind Mediziner, er ist Ingenieur. Können Vertreter dieser Berufsgruppen eigentlich gut zusammenarbeiten – oder sorgen unterschiedliche Verhaltensmuster und Werte für berufliche Spannungen?

Laske: Im Gegenteil. Mediziner und Ingenieure sind in der Präventionsarbeit eine fast optimale Kombination, die sich gut ergänzt. Im Arbeits-und Gesundheitsschutz verwerten Ingenieure perma­nent medizinische Erkenntnisse – und umgekehrt.

Hedtmann: Zwischen uns hat es jedenfalls gut gepasst, wobei meine technische Affinität mir einen Zugang in die Gedanken­welt der Ingenieure erleichtert.

Laske: Das kann ich mit Überzeugung und eigener Erfahrung bestätigen! In meiner Zeit als Leiter einer Regionalabteilung schickte mir Dr. Hedtmann, damals noch ein „dienstjunger“ Präventionsleiter, einmal einen internen Bericht zu einem Unfallereignis mit zahlreichen bohrenden Fragen zurück. Einer meiner Kollegen hatte darin irrtümlich ein Arbeitsmittel beschrieben, das es in dieser Konfiguration gar nicht gab. Danach habe ich jeden Unfallbericht quergelesen, bevor er in die Hauptverwal­tung nach Hamburg geschickt wurde.

Was ist aus Ihrer Sicht der größte Erfolg der „Ära Hedtmann“ gewesen?

Laske: Ich sehe zwei Bereiche: Zum einen haben wir in der Hauptverwaltung in Hamburg einen Kompetenzbereich auf­gebaut, der in der Lage ist, unseren Aufsichts-und Präventionsdienst optimal zu unterstützen. Darüber hinaus sind wir in der Lage, Entwicklungsarbeit für die Zukunft der Prävention zu leisten. Das ist ein hohes Gut. Der zweite große Erfolg ist die politische Arbeit, die Dr. Hedtmann geleistet hat. Er hat dazu beigetragen, dass wir in den Gremien der DGUV und in der Politik sichtbar geworden sind und dort auch gehört werden. Das ist auch für unsere Mitgliedsbetriebe und deren Belange wichtig.

Herr Dr. Hedtmann, gibt es ein Problem, das Sie selbst noch gern gelöst hätten und nun Herrn Laske in den Rucksack packen müssen.

Hedtmann: Herr Laske wird in seinem Rucksack so einiges fin­den. Die Arbeit an der Struktur der Prävention wird nie beendet sein und einige Evergreens unter unseren Themen werden ihn weiterhin begleiten. Da sind zum Beispiel das Rückwärtsfahren in der Entsorgung, die Fahrerassistenzsysteme und der Geld­transport in ungepanzerten Fahrzeugen. Gern etwas weiterge­kommen wäre ich bei den Zukunftsthemen Digitalisierung und künstliche Intelligenz. Hier muss Herr Laske jetzt Gas geben.

Welche Herausforderungen kommen auf die Präventionsarbeit der BG Verkehr zu?

Hedtmann: Wir sehen im Augenblick sowohl in der Politik als auch in der Fachpolitik in den Gremien der Unfallversicherung eine star­ke Polarisierung. Das betrifft auch die Tarifpartner – Arbeitnehmer-und Arbeitgeberverbände. In und mit der Selbstverwaltung der BG Verkehr klappt die Zusammenarbeit hervorragend, aber das ist nicht überall so. In dieser unruhigen See gehen manchmal die Kernthemen der Prävention unter. Deshalb müssen wir die beson­deren Interessen von Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz hochhalten. Beispiel: mobile Arbeit, Homeoffice und alles, was damit zusammenhängt, ist politisch so hoch belastet, dass diese heiße Kartoffel niemand anfassen will. Aber unsere Mitgliedsun­ternehmen warten auf Entscheidungen.

Sie erwähnten auch die Politik ...

Hedtmann: Eine unserer großen Herausforderungen ist es, unsere Ei­genständigkeit zu erhalten. Wir sind kompetent genug, unsere eigenen Belange zu steuern. Das müssen wir gegenüber der Politik betonen – und manchmal auch gegenüber unserer Fachaufsicht.

Laske: In der Präventionsarbeit müssen wir den demografischen Wan­del begleiten. Das Durchschnittsalter unserer Versicherten steigt und das hat Einfluss auf die Gefährdungen und die Schutzmaßnahmen. Ein weiterer Punkt: Aufgrund der Digitalisierung wird die Arbeitswelt dynamischer. Arbeitsprozesse verändern sich in immer kürzeren Zeitabständen oder es werden neue eingeführt. Da müssen wir mit der Entwicklung präventiver Maßnahmen Schritt halten, was nicht einfach ist.

Ein Mann steht an der offenen Fahrertür eines Lkw und hält einen Schlüssel in die Höhe.
© Marco Grundt
Wolfgang Laske

Herr Laske, muss man als Präventionsleiter eigentlich ein Optimist sein?

Laske: Auf jeden Fall. Präventionsarbeit ist manchmal wie der Kampf von Don Quijote mit den Windmühlen. Wenn man da kein Optimist bleibt, ist man verloren. Der Wandel in der Arbeitswelt ist schnell. Wenn man irgendwo ein Mäuerchen des präventiven Erfolgs hoch­gezogen hat, bröckelt bereits ein anderes. Dann muss man wieder von vorn anfangen. Dazu braucht man viel Optimismus und einen langen Atem.

Wie wollen Sie die Prävention der BG Verkehr längerfristig aufstellen?

Laske: Wir wollen noch stärker als bisher mit unserer Beratung in den Mitgliedsbetrieben präsent sein. Wir haben da durch Corona und politische Strömungen eine kleine Delle erfahren, aber wir werden uns wieder ordnen. Die dazu erforderliche Organisation ha­ben wir geschaffen. Unsere Mitgliedsunternehmen zahlen Beiträge und sollen für das Geld die bestmögliche Beratung und Betreuung bekommen.

Herr Dr. Hedtmann, Sie waren nicht nur Präventionsleiter, sondern auch Kolumnist in jeder Ausgabe des SicherheitsProfis. Mal ehrlich: Wie schwer ist Ihnen das gefallen, auch unter Hochlast, jedes Mal pünktlich Ihren Beitrag abzugeben?

Hedtmann: Gar nicht. Es hat mir Spaß gemacht, ich schreibe gern. Und auf diese Weise konnte ich ganz persönlich ein Thema setzen. Ich habe insbesondere von den Sicherheitsfachkräften in unseren Mitgliedsunternehmen eine gute Resonanz bekommen.

Herr Laske, haben Sie die Kolumnen ihres Chefs eigentlich immer gelesen?

Laske: Nicht alle.

Hedtmann: Hallo?

Laske: Manchmal kannte ich das Meinungsbild von Dr. Hedtmann bereits aus unseren Flurgesprächen und habe dann hinweggeblät­tert – aber die meisten Kolumnen habe ich mit Gewinn gelesen.

Ein letzter Rat an Herrn Laske?

Hedtmann: Herr Laske weiß aus langjähriger Führungsverantwortung der Prävention sehr gut, was er zu tun hat. Ich wünsche ihm, dass er seinen Optimismus behält und bei unseren Beschäftigten, den Gre­mien der Selbstverwaltung sowie unseren Mitgliedsunternehmen das Vertrauen erhält und weiter aufbaut.

Ein letzter Satz an Dr. Hedtmann?

Laske: Mit einem Satz komme ich eigentlich nicht aus. Ich könnte auch einen kleinen Dankesbrief schreiben. Herr Dr. Hedtmann habe ich als Menschen kennengelernt, der Mitarbeitende sowie Kollegin­nen und Kollegen fördert und ihnen Entwicklungschancen eröffnet. Das habe ich auch selbst erfahren dürfen. Ein wenig wird mir Dr. Hedt­mann fehlen, auf jeden Fall werde ich ihn in bleibender Erinnerung behalten.

Björn Helmke
Redaktion SicherheitsProfi