
Wenn sich die Kolleginnen und Kollegen aus dem Präventionsdienst der BG Verkehr über ihre Erfahrungen bei Besichtigungen austauschen, geht es manchmal lebhaft zu: „Der Zugang war überhaupt nicht vernünftig gesichert.“ – „Die Gangway endete an den Schienen, das war die reinste Stolperfalle.“ – „An der Treppe gab es kein Geländer.“ Und so weiter. Wir haben deshalb beschlossen, einen Artikel zu dem eigentlich bekannten Thema „Wie sollte ein sicherer Zugang aussehen?“ zu schreiben.
Verantwortung verpflichtet
Nicht nur die Seeleute an Bord sind auf einen sicheren Zugang angewiesen. Diverse Dienstleistende, Beschäftigte der Reedereien oder Gäste müssen darauf vertrauen können, dass sie bei Wind und Wetter gefahrlos an Bord kommen. Das gilt, egal ob der Zugang von Bord aus oder von der Landseite eingerichtet wurde. Gute Seeleute erlauben sich keine Nachlässigkeit, denn das kann am Arbeitsplatz Schiff verheerende Folgen für sie selbst oder andere haben. Warum wir auf diese allseits bekannte Regel guter Seemannschaft hinweisen, zeigt das folgende Unfallbeispiel.
Sturz von der Lotsenleiter
Ein Kanalsteuerer stürzte beim Aufstieg auf ein Seeschiff von der Lotsenleiter. Er fiel etwa vier Meter tief auf das Lotsenboot und verletzte sich schwer. Der Mann stürzte ab, als er sich auf Höhe des Hauptdecks befand. Dort griff er ins Leere, denn er fand keinen Halt an den seitlichen Rohren der Relingspforte.
Die vordergründige technische Ursache dieses schweren Unfalls brauchten wir nicht lange zu suchen: Es gab keinen geeigneten Halt beim Zugang zum Deck des Seeschiffs! Die Handläufe waren heruntergezogen und daher nicht nutzbar. Außerdem waren sie so breit, dass man sie mit den Händen nicht umfassen konnte. Dieses Problem hätte bei der Einrichtung der Pforte festgestellt und leicht behoben werden können. Wenn es keine geeigneten Haltegriffe gibt, werden zum Beispiel zwei festsetzbare Stützen angebracht. Dort kann man sich mit beiden Händen gut festhalten. Aber die Verantwortlichen verzichteten auf diese einfache Maßnahme – warum?
Wer glaubt, es handle sich bei diesem Arbeitsunfall um eine seltene Ausnahme, täuscht sich leider. Nicht sachgemäß eingerichtete Überstiege sind bereits mehrfach dokumentiert. Und damit werden Menschen gefährdet, die mit dem Riggen der Lotsenleiter nichts zu tun hatten. Sie müssen die Bequemlichkeit oder Nachlässigkeit anderer manchmal teuer bezahlen. „Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste“, sagt Stephan Schinkel, der das Referat Seeschifffahrt bei der BG Verkehr leitet. „Ich empfehle jedem, eine gründliche Sichtprüfung vorzunehmen, bevor er den Zugang zu einem unbekannten Schiff nutzt.“
„Eine typische Unfallursache sind Stolperstellen auf der Landverbindung.“
Verantwortung unterschiedlich geregelt
Auf Schiffen unter deutscher Flagge ist die Rechtslage eindeutig. In der DGUV Vorschrift 84 – Unfallverhütungsvorschrift „Seeschifffahrt“, § 4, Absätze 1 und 2 – wird sehr konkret benannt, dass die Unternehmensleitung dafür zu sorgen hat, dass ein Fallreep, ein Landgangsteg oder eine sonstige geeignete Vorrichtung vorhanden ist, um den sicheren Zugang zum Schiff zu gewährleisten. Ein sicherer Zugang muss auch bei wechselnden Umgebungsbedingungen erhalten bleiben. Allerdings wird manchmal die Landverbindung nicht von der Besatzung, sondern vom Personal des Terminals oder durch Dritte eingerichtet. In diesen Fällen muss die Unternehmensleitung in Zusammenarbeit mit dem Bereitsteller gewährleisten, dass die Anforderungen an den sicheren Zugang erfüllt werden. Ob die Bereitsteller die Verantwortung tragen, hängt im Einzelfall von der Rechtslage im jeweiligen Gastland ab, in dem sich das Schiff befindet. Gut zu wissen: Auf deutschem Gebiet tragen in jedem Fall auch die Bereitsteller eine Verantwortung für die Sicherheit und die bestimmungsgemäße Verwendung der Landverbindung.
So sieht ein sicherer Zugang aus
- Ein sicherer Zugang muss ein an beiden Seiten vollständiges Geländer haben.
- Das Geländer darf nur so stark sein, dass man es mit der Hand fest umfassen kann.
- Die Landverbindung darf weder verrutschen noch kippen und muss entsprechend gesichert werden.
- Die Stufen müssen abgestumpft sein, damit der Fuß auch bei Glätte und Nässe festen Halt findet.
- Sicherungsnetze verhindern, dass Personen bei einem Sturz zwischen Schiff und Kai ins Wasser fallen.
- Die Landverbindung muss ausreichend weit von der Kaikante entfernt aufliegen und darf weder „in der Luft hängen“ noch verrutschen oder kippen und muss entsprechend gesichert werden.
- Falls die Landverbindung auf der Reling oder Verschanzung aufliegt, muss eine Relingtreppe mit Handlauf benutzt werden.
- Die Angaben des Herstellers zum Anstellwinkel der Landverbindung müssen beachtet werden.
- Der Landgang muss bei Dunkelheit so gut beleuchtet werden, dass Stufen und Tritte erkennbar sind.
- Ein Rettungsring mit Leine gehört zur unverzichtbaren Ausstattung.
Handeln, bevor ein Unfall passiert
Wir halten fest: Arbeitsunfälle bei der Benutzung des Zugangs zum Schiff sind keine Seltenheit. Das betrifft nicht nur Seeleute, sondern auch Menschen, die als Dienstleistende an Bord kommen. Es gilt, die Beschäftigten dafür zu sensibilisieren, hier keine unnötigen Risiken einzugehen. Rein technisch betrachtet kann ein Zugang nur sicher sein, wenn bei der Einrichtung alle Umgebungsbedingungen berücksichtigt werden.
Alle betroffenen Unternehmen aus der Seeschifffahrt und Fischerei müssen im Rahmen ihrer Gefährdungsbeurteilung festlegen, wie zu verfahren ist, wenn ein Zugang zu einem Schiff nicht sicher ist. Die regelmäßig stattfindenden Unterweisungen im Arbeits-und Gesundheitsschutz sind der geeignete Rahmen, um die Probleme der Beschäftigten mit unsicheren Zugängen zu besprechen. Anschließend legen die Verantwortlichen Maßnahmen zur Behebung der Missstände fest und kontrollieren deren Umsetzung und Wirksamkeit.
Hannes Riemenschneider
Aufsichtsperson im Referat Seeschifffahrt bei der BG Verkehr
Weiterführende Informationen
Im „Handbuch See“ beschreiben wir im Kapitel C5 ausführlich, wie eine sichere Landverbindung hergestellt wird. Das Handbuch wird zurzeit überarbeitet, die Version von 2014 steht online zur Verfügung.