Illustration: Lkw fährt rückwärts an eine Laderampe mit Gabelstapler. Dazwischen geht ein Mann entlang. Das Warnsystem des Lkws schlägt Alarm
© ZF Friedrichshafen AG

Aber im Spiegel war doch nichts zu sehen. Auch noch lange nach einem Unfall verfolgt dieser Gedanke viele Profis am Steuer. Traurige Beispiele dafür sind Abbiegeunfälle – ein Präventionsschwerpunkt der BG Verkehr. Auch während der Rückwärtsfahrt spielt die fehlende Sicht eine Hauptrolle. Ob auf dem Betriebshof, auf einem Supermarktparkplatz oder in der engen Sackgasse – wo Transporter und Lkw rückwärtsfahren müssen, steigt das Risiko für alle, die zu Fuß unterwegs sind.

 „Zum Glück enden solche Unfälle nicht immer tödlich“, sagt Hans Heßner, Fachreferent für Straßenverkehr und Fahrzeuge bei der BG Verkehr. „Allerdings sind die Verletzungen in der Regel bei den Menschen sehr schwer, wenn sie von einem Fahrzeug angefahren werden.“ Auch diejenigen hinter dem Steuer bleiben häufig jahrelang von den Ereignissen traumatisiert. 

Weil Rückwärtsfahren so gefährlich ist, wäre es das Beste, es zu vermeiden. Die Straßenverkehrs-Ordnung fordert neben ständiger Vorsicht und gegenseitiger Rücksichtnahme: Ist die Sicherheit Dritter nicht garantiert, muss sich der Mensch am Steuer einweisen lassen. Die DGUV Vorschrift 70 untermauert diese Forderung für gewerblich genutzte Fahrzeuge.

Die Praxis sieht meist anders aus. Die meisten Fahrerinnen und Fahrer im Transportgewerbe sind allein unterwegs und ihnen steht keine Person zum Einweisen zur Verfügung. Hierbei kann geeignete Technik unterstützen. Die BG Verkehr setzt sich seit Jahren für eine gesetzliche Vorschrift zum Einbau von Assistenzsystemen ein. Das hat mittlerweile dafür gesorgt, dass einiges an Technik Pflicht ist, beispielsweise Rückfahrassistenzsysteme (RAS) für neu zugelassene Fahrzeuge der Klassen M2, M3 sowie N2 und N3.

Rückwärtsfahren mit Transportern

Auch in der Zustellung sowie bei Kurier- und Lieferfahrten lässt sich Rückwärtsfahren nicht immer vermeiden, zum Beispiel beim Ausparken. Hinzu kommt, dass die meisten Transporter als Kastenwagen keine Scheiben im hinteren Teil haben. Das macht sie selbst bei gut eingestellten Spiegeln unübersichtlich. „Der nicht einsehbare Bereich hinter den Fahrzeugen ist die Hauptursache der Unfälle“, sagt Eberhard Brunck. Als Fachreferent für Kurier- Express- und Postdienste bei der BG Verkehr gehören Transporter zu seinen Hauptthemen. Sein Appell: „Investieren Sie in geeignete Rückfahrassistenten und Kamera-Monitor-Systeme.“ Das erweitert das Sichtfeld nach hinten deutlich. Im Transportersegment ist das Angebot reichhaltig und geht weit über die gesetzlich vorgeschriebene Ausstattung hinaus. Das gilt nicht nur für Neuanschaffungen: „Bloß nicht sparen und auch Bestandsfahrzeuge nachrüsten.” Die Gefährdungsbeurteilung ist die Ausgangsbasis dafür, welche Systeme notwendig sind. „Außerdem gehören die Gefahren beim Rückwärtsfahren unbedingt in die Unterweisung“, sagt Brunck.

Das Display eines Kamera-Monitor-Systems zeigt eine Person, die hinter dem Fahrzeug steht.
© Sebastian Vollmert
Ein Kamera-Monitor-System kann unterstützen. Wer zum Beispiel bei schlechter Sicht oder einem Ausfall nicht sicher rückwärtsfahren kann, muss sich von einem Menschen einweisen lassen.

Rückwärtsfahren mit Lkw

Lkw-Fahrerinnen und -Fahrer sind häufig ebenso allein unterwegs wie ihre Kolleginnen und Kollegen in den Transportern. Für viele gehört es zum Alltag, im innerstädtischen Verkehr rückwärtszufahren, häufig mit Anhänger. „Wir empfehlen Systeme, die selbsttätig eingreifen können. Wichtig ist vor allem, geeignete Systeme auszuwählen, die für den jeweiligen Einsatzzweck bestmöglich unterstützen“, sagt Heßner. Beispielsweise ist ein Assistenzsystem auf dem Markt verfügbar, das den Anhänger abbremsen kann, wenn es beim Rückwärtsfahren Personen oder Objekte hinter dem Fahrzeug erkennt. Alles, was bis zu 3,5 Meter hinter dem Gespann steht, sorgt dafür, dass die Bremse des Anhängers „zumacht“. Nach dem Bremsimpuls sollte sich der Fahrer oder die Fahrerin vergewissern, dass der rückwärtige Bereich frei ist, und dann erst weiterfahren. „Diese Systeme unterstützen aktiv dabei, sich beispielsweise an eine Laderampe heranzutasten. Dennoch müssen Fahrerinnen und Fahrer wissen, wie ein System funktioniert und wo dessen Grenzen liegen“, sagt Heßner. Denn nicht immer muss sich ein Mensch hinter dem Fahrzeug befinden. Auch Sachschäden lassen sich so vermeiden. Eine Kollision mit Ladetoren, Pfeilern oder anderen Fahrzeugen kann sehr teuer werden, Ausfälle zur Folge haben – und zusätzlich mentalen Druck erzeugen. „Alle die am Steuer sitzen und nicht sehen, was hinter dem Fahrzeug los ist, wissen, wie stressig das ist. Rückfahrassistenzsysteme reduzieren somit auch die psychische Belastung beim Rangieren und Rückwärtsfahren.“

Ohne Unterweisung geht nichts

Assistenzsysteme sind nur eine hilfreiche Unterstützung. Die Verantwortung beim Fahren hat trotzdem der Fahrer oder die Fahrerin. Die Unternehmensleitung hat ebenfalls eine wichtige Aufgabe: Sie muss in den Austausch mit den Beschäftigten gehen und deren Arbeitssituationen richtig einschätzen. Nur, wer weiß, wann und wo die Mitarbeitenden regelmäßig rückwärtsfahren, kann eine angemessene Entscheidung für diese Fälle treffen. Unabhängig davon, ob moderne Technik oder eine einweisende Person die Lösung ist: Betriebsanweisung und Unterweisung müssen deutlich sagen, wie es richtig geht. „Darin muss geregelt sein, wo sich Assistenzsysteme einsetzen lassen, wie man sie richtig verwendet, wann ihre Grenzen erreicht sind, woran man Fehlfunktionen und Schäden erkennt und wann man sich einweisen lassen muss“, sagt Heßner.

Moritz Heitmann
Redaktion SicherheitsProfi