Herr Dr. Caumanns, stille Entzündungen – das klingt geheimnisvoll. Worum geht es?
Stille Entzündungen sind keine normalen Abwehrreaktionen des Organismus auf Bakterien, Viren oder schädliche Substanzen. Deswegen fehlen die entzündungstypischen Rötungen, Schmerzen oder Schwellungen als Krankheitszeichen. Die „Schwelbrände“ im Körper bleiben oft unbemerkt. Diese kaum spürbare Entzündungsform kann langfristig zu schweren Erkrankungen führen. Das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen steigt, aber auch für die Demenz, Arthrose, Diabetes und Krebserkrankungen. Ganz allgemein altert der Körper schneller.
»Niemand muss auf Genuss verzichten, um gesund zu bleiben.«
Daran sind die Entzündungen schuld?
Nein, sie sind nur ein ernst zu nehmendes Warnzeichen dafür, dass falsche Ernährung, zu viel Zucker und zu wenig Bewegung den Stoffwechsel schädigen. Das hat nach einiger Zeit Folgen. Die Forschung geht aktuell vor allem von einer fehlerhaften Zusammensetzung der Darmbakterien sowie zu viel „innerem Bauchfett“ als Ursache aus. In den Bauchorganen, zum Beispiel in der Leber, wird Fett eingelagert. Oft sehen Sie dann auch außen einen zu großen Bauchumfang. In Deutschland sind mehr als die Hälfte der Erwachsenen übergewichtig, bei den Kindern und Jugendlichen rund 15 Prozent. Es gibt aber durchaus auch Menschen mit Normalgewicht, die eine Fettleber haben.
Heißt das, wer zu dick ist, hat eine unbemerkte Entzündung im Körper?
Sicher gibt es Ausnahmen, so wie auch nicht jeder Kettenraucher an Lungenkrebs stirbt. Aber die Tendenz ist eindeutig, es gibt einen Zusammenhang zwischen Übergewicht und Stoffwechselstörungen, die schwere Erkrankungen begünstigen.
Welche Rolle spielen die Bakterien im Darm?
Wir haben bis zu tausend verschiedene Darmbakterien. Sie bilden gemeinsam mit anderen Strukturen eine Schutzschicht in der Darmwand, die verhindert, dass schädliche Substanzen und Mikroorganismen in den Körper gelangen. Die Darmbakterien können noch wesentlich mehr: Sie regen die Bildung von Antikörpern an. Sie unterstützen die Produktion der sogenannten Fresszellen im Immunsystem, die schädliche Organismen angreifen. Sie fördern den Stoffwechsel, die Bildung wichtiger Vitamine und versorgen die Darmschleimhaut mit Nährstoffen. Das ist eigentlich eine wunderbare Balance, um uns gesund zu halten. Leider begünstigt unser moderner Lebensstil das Wachstum von anderen Bakterien, die sich nicht so günstig auswirken. Sie enthalten in ihrer Zellmembran Stoffe, welche Entzündungen fördern und die Darmbarriere destabilisieren.
Diese „bösen“ Bakterien entstehen durch falsche Ernährung und zu wenig Bewegung?
Ja – die Heftigkeit der Reaktion ist individuell verschieden. Aber es besteht kein Zweifel daran, dass ein Übermaß an Zucker und schnell verwertbaren Kohlenhydraten in Kombination mit zu wenig Bewegung auf Dauer krank macht. Ein gesunder Lebensstil ist keine Garantie für ein gesundes Leben. Aber mit Sicherheit steigt dadurch die Wahrscheinlichkeit, lange gesund zu bleiben.
Besser essen, mehr bewegen – das klingt ziemlich einfach. Warum ist es trotzdem so schwer, auf die ungesunden Gewohnheiten zu verzichten?
Darüber kann man lange nachdenken … Vielleicht weil das Leben zu anstrengend ist? Dann gönnt man sich als Belohnung nach einem anstrengenden Tag die geliebten Naschis, Alkohol und eine dicke Pizza. Bequem im Sessel selbstverständlich. Das ist für kurze Zeit ein Trost und liefert ein gutes Gefühl.
Und wie kann man dagegen ansteuern?
Ich habe kein Patentrezept, ich kann nur sagen: Probieren Sie aus, in kleinen Schritten Ihren Lebensstil zu ändern! Es lohnt sich, egal in welchem Alter. Sie werden sich fitter und vitaler fühlen. Für den Anfang reichen ein paar einfache Maßnahmen. Es nützt viel, frische Lebensmittel zuzubereiten, statt Fertigprodukte zu essen, sich regelmäßig zu bewegen und zwischen den Mahlzeiten keine Kalorien aufzunehmen. Unser Körper dankt es uns mit mehr Energie, Wohlbefinden und langfristigem Schutz vor Erkrankungen.
Wie lange dauert es, bis sich Veränderungen einstellen?
Das ist individuell verschieden und hängt natürlich davon ab, wie konsequent jemand seine Verhaltensweisen ändert. Ein paar Monate müssen Sie schon durchhalten – dafür genießen Sie allerdings viele Jahre mit einem ganz neuen Lebensgefühl!
Dorothee Pehlke
Redaktion SicherheitsProfi
Mehr bewegen
- Stehen, statt sitzen – zum Beispiel beim Telefonieren
- Treppe statt Aufzug
- Täglich kurze Dehnübungen oder ein kleiner Spaziergang
Ernährung
- Mehr Gemüse, Hülsenfrüchte, Obst, Vollkorn und Fisch – weniger Fleisch und Fast Food
- Nüsse, Rohkost oder Vollkornbrot statt Süßes oder Snacks
- Wasser statt Softdrinks oder Fruchtsaft
- Intervallfasten ausprobieren: Eine Essenspause von 14 bis 16 Stunden (zum Beispiel vom Abendessen um 18 Uhr bis zum Frühstück um 10 Uhr) fördert die Zellreparatur und senkt
Entzündungswerte
Heilungskräfte des Körpers unterstützen
- Keine Suchtmittel (Nikotin, Alkohol) oder Drogen
- Grüner Tee enthält Antioxidantien, wirkt entzündungshemmend und liefert sanft Koffein
- Gewürze wie Ingwer, Kurkuma, Safran, Kardamom, Kreuzkümmel, Schwarzkümmel, Zimt und Pfeffer haben eine entzündungshemmende Wirkung
Stress abbauen
- Bewusst Pausen machen und tief durchatmen
- Sport treiben
- Für guten Schlaf abends eine Stunde vor dem Zubettgehen das Smartphone und
den Fernseher abschalten - Einfach mal nichts tun