Vorbereitung der Bebunkerung des Fährschiffs "Richmond"
© Stadtwerke Konstanz

Anfang 2024 lud die BG Verkehr zur Bran­chenkonferenz für die Binnenschifffahrt ein: „Neue Technologien – Chancen und Risi­ken für den Arbeitsschutz“ hieß das Thema. Verflüssigtes Erdgas (LNG) und verflüssigtes Gas aus Biomasse haben seitdem stetig an Bedeutung gewonnen. Gas ist nicht gefährli­cher als andere Energieträger – die wesentli­chen Risiken, die bei der Nutzung bestehen, muss man allerdings kennen. Unser Artikel soll einen Einstieg dazu geben, was es beim Umgang mit LNG als alternativem Kraftstoff an Bord zu berücksichtigen gilt.

Was ist LNG?

LNG (Liquefied Natural Gas) ist ein durch star­kes Abkühlen verflüssigtes Erdgas (kryogene Flüssigkeit). Es muss bei circa minus 162 Grad Celsius in isolierten Tanks (Kryotanks) gela­gert werden. Der Hauptbestandteil von LNG ist Methan (CH₄), das je nach Herkunft 87 bis 99 Prozent des LNG ausmacht. Dazu kommen gerin­ge Mengen anderer Stoffe, vor allem Ethan, Propan, Butan, Kohlendioxid und Stickstoff. Der Hauptbestandteil Methan ist ein fos­siler Brennstoff – entweicht Methan in die Atmosphäre, ist es schädlicher für das Kli­ma als CO₂. Vor allem beim Speichern und Transportieren von LNG besteht die Gefahr, dass nicht genutztes oder nicht verbranntes Methan austritt.

Welche Risiken gibt es?

Flüssiggas hat mehrere besondere Eigen­schaften, die die Besatzung gefährden kön­nen und nicht allgemein bekannt sind. Hier eine kurze Übersicht:

Persönliche Schutzausrüstung beim Umgang mit LNG

Bei Kontakt mit ungeschützter Haut kann LNG schwere Kälteverbrennungen verur­sachen. Deshalb ist das Tragen von per­sönlicher Schutzausrüstung (PSA) bei der Handhabung von LNG-führenden Systemen unverzichtbar. 

Welche Besonderheiten sind bei der Installation einer LNG-Anlage zu beachten?

Werkstoffe, die direkt im LNG-System einge­setzt werden, können aufgrund des tiefkalten Gases verspröden. Um einen Sprödbruch zu verhindern, wird daher meist Edelstahl ver­wendet, da dieses Material der Temperatur standhält. Falls die LNG-Bunkerschläuche die Schiffs­struktur berühren (zum Beispiel die Außen­haut oder das Deck), ist zum Schutz eine Isolierung erforderlich. Anderenfalls würde der in diesen Bereichen vorhandene Schiff­baustahl verspröden.

Um im Falle eines un­beabsichtigten LNG-Austritts den direkten Kontakt zwischen Schiffs-Außenhaut und dem kalten Medium zu vermeiden, kann zum Beispiel ein Wasservorhang zum Ein­satz kommen. Darüber hinaus ist zu berück­sichtigen, dass im Tank ständig weiteres LNG verdampft (Boil-off-Gas), Diese Besonderheit erfordert ein permanentes Temperatur- und Druck-Management, um den sicheren Be­trieb innerhalb der Auslegungsparameter des Treibstofftanks zu gewährleisten.

Welche Bau- und Ausrüstungsvorschriften müssen insbesondere beachtet werden?

Hier ist an erster Stelle der Europäische Stan­dard der Technischen Vorschriften für Binnen­schiffe (ES-TRIN) zu nennen. Das Kapitel 30 ES-TRIN beschreibt die Sonderbestimmungen für Fahrzeuge, auf denen Antriebs- oder Hilfs­systeme installiert sind, die mit Brennstoffen mit einem Flammpunkt von 55 Grad Celsius oder darunter betrieben werden.

Gemäß Kapitel 30 ES-TRIN ist eine Risikobewertung erforderlich, die unter anderem auch eine Gefahrenermittlung, die sogenann­te Hazard Identification (HAZID) umfasst. Damit ermittelt man mögliche Gefährdungsszenarien, ordnet sie qualitativ ein und for­muliert gegebenenfalls Festlegungen oder Empfehlungen für Sicherheitsmaßnahmen.

Ein Großteil der risikobewerteten Szenarien wird von Bauvorschriften wie ES-TRIN und Vorschriften der Klassifikationsgesellschaf­ten erfasst. Technische und/oder systemi­sche Maßnahmen sorgen für Abhilfe.

Welche Anforderungen ergeben sich an die Qualifikation der Besatzung?

Zusätzlich zur technischen Sicherheit der LNG-Antriebe muss die Sicherheit der Be­satzung während des Betriebs gewährleistet sein. Diese Thematik greift unter anderem die Binnenschiffspersonalverordnung auf: Die Verordnung fordert Sachkundige für Flüssigerdgas auf Fahrzeugen mit LNG-Antrieb und legt Anforderungen an die Qualifikation der Besatzung fest.

Zur Vertiefung der Themen gibt es umfangreiches Informationsmaterial (siehe Links unten). Sollten Sie persönlichen Beratungsbedarf haben, wenden Sie sich gern an die zuständige Aufsichts­person oder das Referat Binnenschifffahrt der BG Verkehr.

Holger Bessel und Hans-Josef Braun
Referat Binnenschifffahrt bei der BG Verkehr