Mitarbeiter in Schutzkleidung bei der Entsorgung von chemischen Abfällen
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Entsorgungsfachbetriebe übernehmen gefährliche Abfälle aus verschiedenen Quellen wie Industrie, Gewerbe und privaten Haushaltungen. Privatkunden bringen ihre gefährlichen Abfälle selbst, oft in den Behäl­tern, die gerade zur Hand sind. Ob hier Auf­schrift und Inhalt übereinstimmen, muss der Entsorgungsfachbetrieb bei der Sammlung prüfen. Doch auch bei Gewerbetreibenden und in der Industrie kann es zu Abweichungen zwischen Behälteraufschrift und -inhalt kom­men, beispielsweise durch versehentliches Vertauschen oder auch durch fehlendes Ver­ständnis. Im Falle einer Direktabholung bei gewerblichen Kunden gibt es Vorgespräche und Abfalldokumente. Und bei Bedarf auch Abfallanalysen, bevor der jeweilige Entsor­gungsweg festgelegt wird.

Unfall bei Probenentnahme

Es war Hochsommer, als der Beschäftigte eines Entsorgungsunternehmens eine Pro­be aus einem 200-Liter-Stahlfass entneh­men sollte. Beschriftet war das Fass mit der Inhaltsangabe „2-K-Polyurethanklebstoff“. Mit der Probe sollte die Art des Klebstoffs zum Recycling genauer bestimmt werden. Als der Versicherte den Stahlklemmring lös­te und das Fass öffnete, entleerte sich der Inhalt schwallartig. Der Gefahrstoff spritz­te dem Mitarbeiter an den Kopf und in die Haare. Außerdem geriet ihm der Stoff in den Mund, beschädigte die Mundschleimhaut und löste Hals- sowie Zungenschmerzen aus.

Der Beschäftigte duschte sich sofort unter der Notdusche ab und spülte dabei den Mund gründlich aus. Anschließend erfolgte der Transport in einem Rettungs­wagen zum Durchgangsarzt. Angaben zum 2-K-Polyurethanklebstoff wurden den Rettungskräften mitgegeben. Die schnel­len Erste-Hilfe-Maßnahmen verhinderten Schlimmeres. Zum Zeitpunkt des Unfalls trug der Versicherte eine Gestellbrille mit Seitenschutz, Chemikalienschutzhandschu­he und Arbeitskleidung. Dies bot jedoch keinen hinreichenden Schutz für Kopf, Mund und Atemwege.

Was könnte geschehen sein?

2-K-Polyurethanklebstoffe sind Zweikompo­nentenprodukte, bestehend aus Harz und einem Härter, der die Trocknung und die Aus­härtung beschleunigt. Es gibt schäumende und nicht schäumende Kleber, manche sind nach dem Aushärten starr und manche blei­ben elastisch. Die ausreagierten Produkte sind weitgehend unkritisch, während Isocyanate in nicht ausreagierten Produkten stark aller­gisierend wirken können.

Der geschilderte Unfall zeigt eine typische Schwierigkeit beim Umgang mit gefährlichen Abfallstoffen auf: Wer die Probe nimmt, kann im Vorwege nicht erkennen, was der genaue Inhalt im Fass ist, in welchem Zustand dieser ist und was bereits in dem Fass passiert ist.

Eine Ursache für den Druckaufbau könnte die Erwärmung des Fasses gewesen sein. Mög­lich wäre aber auch eine chemische Reaktion, weil zum Beispiel durch das Öffnen oder durch Wassereintritt eine noch nicht ausreagierte Komponente begonnen hat aufzuschäumen. Auch dies hätte eine Druckerhöhung zur Folge.

Am Beispiel dieses Unfalls wird deutlich, wa­rum beim Öffnen von Anlieferungsgefäßen unter unklaren Verhältnissen genaue Sicher­heitsvorkehrungen auf Basis der Gefährdungs­beurteilung (siehe Kasten) festgelegt werden müssen. So kann es beispielsweise erforder­lich sein, zusätzlich das Tragen von persönli­cher Schutzausrüstung (Schutzanzug, Atem-und Gesichtsschutz) festzulegen.

Muss ein Fass geöffnet werden, muss sichergestellt sein, dass der ausführende Beschäftigte mit den möglichen chemischen und physikalischen Gefahren vertraut ist. Außerdem müssen ein geeigneter Ort und eine sichere Vorgehenswei­se definiert sein. 

Wenn etwas passiert, muss sich Hilfe in der Nähe befinden (festgelegte Rettungskette bzw. ein Notfallmanagement). Unumgänglich ist zum Beispiel auch die Mög­lichkeit, im Notfall sofort die Augen zu spülen oder, wie hier geschehen, den ganzen Körper mit einer Notdusche zu dekontaminieren. Hinweise zum Notfallmanagement finden sich in der DGUV Information 208-050 „Notfallmanagement beim Umschlag und innerbetrieblichen Transport von Gefahrgütern und gefährlichen Stoffen“.

Die Technische Regel für Gefahrstoffe 520 „Errichtung und Betrieb von Sammelstellen und Zwischenlagern für Klein­mengen gefährlicher Abfälle“ beschäftigt sich mit den Gefährdungen und Schutzmaßnahmen bei der Annahme gefährlicher Abfälle. „Die Re­gel ist zwar auf die Annahme von Kleinmen­gen aus Haushalten zugeschnitten. Das heißt: Bei der Annahme von 200-Liter-Fässern gilt sie eigentlich nicht. Aber sie ist dennoch eine wertvolle Grundlage für die Gefährdungsbe­urteilung in allen Betrieben, die gefährliche Abfälle annehmen“, sagt Eckart Willer, Refe­ratsleiter für Gefahrstoffe und Gefahrgut bei der BG Verkehr.

Aimuamwosa Igbinosa
Aufsichtsperson bei der BG Verkehr