Einblicke in die Branchenkonferenz der BG Verkehr
© BG Verkehr | Thomas Panzau
Karén Förster und Marco Pahl von Cemex Logistik berichten von einem Filmprojekt mit einer Influencerin.

Kurz und knackig, konkret, interaktiv, verständlich und abwechslungsreich: So muss eine Unterweisung aussehen, die gleichermaßen Sicherheit und Erfolg für die Unternehmen und die Beschäftigten voranbringt. Aber was sich so einfach liest, ist in der Praxis oft ein mühseliges Unterfangen. Während der Branchenkonferenz „Fachpersonal unterweisen – Gamechanger für Sicherheit und Erfolg“ zeigten Ende September Arbeitssicherheitsprofis aus Unternehmen und der gesetzlichen Unfallversicherung, wie Unterweisungen erfolgreicher werden können.

Zu der Veranstaltung hatte die BG Verkehr als zuständige Berufsgenossenschaft für die Verkehrsbranche gemeinsam mit der Internationalen Sektion für Prävention im Transportwesen der IVSS (Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit) eingeladen. Das Thema traf einen Nerv der Branche. 100 Gäste nahmen live in der Hauptverwaltung der BG Verkehr teil, 110 weitere waren online dabei. Das Fazit: Unterweisungen brauchen neuen Schwung. Weg von einer jährlichen Pflichtveranstaltung, bei der das Fahrpersonal am Freitagnachmittag dem Feierabend entgegengähnt, während der Chef vorn die gleichen Powerpoints zeigt wie jedes Jahr. Hin zu praxisnahen Unterweisungen, die das aktuelle Unfallgeschehen im Betrieb einbeziehen. „Wir müssen bei den Unterweisungen wieder näher an die Beschäftigten rankommen“, brachte es Wolfgang Witzke, Vorsitzender der Vertreterversammlung der BG Verkehr und langjährige Fachkraft für Arbeitssicherheit beim Entsorgungsunternehmen Remondis, auf den Punkt.

Weg vom Frontalunterricht

Für Witzke bedeutet das: Weg vom Frontalunterricht! Auch Martin Küppers, Leiter des Bereichs Regelwerk und Arbeitssicherheit bei der BG Verkehr, weist darauf hin, dass die Basis einer guten Unterweisung direkt am Arbeitsplatz gelegt wird – also in der Regel am Fahrzeug und nach dem Muster „Erklären, vormachen, nachmachen lassen“. So kommen die Fahrerinnen und Fahrer aus der reinen Zuschauerperspektive heraus in eine aktive Rolle. Beim UPS heißt es „Tell me, show me, let me“ und wird beim Training neuer Zustellerinnen und Zusteller im Trainingszentrum in Köln auf den gesamten Prozess angewendet. Die Zustellerinnen und Zusteller lernen so beispielsweise das sichere Aussteigen aus dem Fahrzeug mit Paketen, das Gehen auf glatten Flächen, sicheres Fahren des Zustellfahrzeugs und vieles mehr.

Auch bei Remondis ist das Training am Fahrzeug die Basis. Allerdings hat das Entsorgungsunternehmen gleichzeitig medial aufgerüstet. Gemeinsam mit Hendrisch Medien erstellte Remondis Schulungsvideos für jeden Fahrzeugtyp. In einer zweiten Phase kam eine Broschüre hinzu, die jeder Fahrerin und jedem Fahrer zur Verfügung gestellt wird. „Sie soll als Nachschlagewerk die durchgeführten Unterweisungen vertiefen“, sagt Witzke. Phase 3 bei Remondis ist E-Learning. Dabei arbeiten sich die Beschäftigten selbstständig durch ein Lernprogramm mit zahlreichen Abbildungen und Videos. Nach jedem Kapitel ist ein Abschlusstest zu absolvieren.

Mitarbeitende in Schutzkleidung bei einer Unterweisung
© BG Verkehr | Gerald Hänel
Praxisnahe Unterweisungen, etwa bei Reparaturen oder Wartungen, machen Inhalte greifbarer und bleiben im Gedächtnis.

Unterweisung am Fahrzeug ist nicht ersetzbar

„Das E-Learning kann und soll die Unterweisung am Fahrzeug nicht ersetzen“, sagt Witzke. E-Learning bietet aber eine Reihe von Vorteilen. Durch Rückfragen und den Test bekommen die Führungsverantwortlichen Hinweise zu eventuellen Wissenslücken. Außerdem kann jede und jeder Unterwiesene den Inhalt in seinem eigenen Lerntempo bearbeiten. Last, but not least: Das E-Learning steht in jeder gewünschten Sprache zur Verfügung – Übersetzung durch KI (künstliche Intelligenz) macht es möglich. Das Thema Mehrsprachigkeit ist ein hochaktuelles Thema in der Verkehrsbranche – nicht nur bei Unterweisungen. In immer mehr Unternehmen arbeiten Fahrerinnen und Fahrer mit Migrationshintergrund, deren Muttersprache nicht Deutsch ist. Auch diese müssen die Unterweisung und andere Anweisungen verstehen, um sicher, gesund und effizient arbeiten zu können. In vielen Unternehmen übernehmen Kolleginnen oder Kollegen, die schon länger in Deutschland sind, die Übersetzung. Andreas Weinhut, Geschäftsführer des KEP- und Logistikunternehmens Weinhut aus Neutraubling, geht einen anderen Weg. Er setzt auf KI. Das verhilft ihm als Chef von mehr als 100 Mitarbeitenden zu einer außergewöhnlich hohen Schlagzahl in Sachen Unterweisung. 

Wöchentlich gibt es bei Weinhut eine 30-minütige Unterweisung – pro Wochentag in einer anderen Sprache. Angeboten werden neben Deutsch noch Englisch, Russisch, Rumänisch und Polnisch. Die Unterweisungsthemen rotieren. Neben Standards wie Erste Hilfe, Brandschutz und Verhalten bei Unfällen unterweist Weinhut zu aktuellen Themen – zum Beispiel zu Gefahrensituationen, mit denen die Weinhut-Fahrerinnen und -Fahrer im Verkehr konfrontiert waren. Zum jeweiligen Thema passend erstellt die KI verständliche Unterweisungsunterlagen.

Der Scanner warnt vor aggressiven Hunden

Moderne Technik spielt bei DHL ebenfalls eine wichtige Rolle. Bevor es in den Alltag geht, durchlaufen neu eingestellte Zustellerinnen und Zusteller ein standardisiertes Einarbeitungsprogramm in kleinen Gruppen. Das Programm umfasst auch die Ersteinweisung in die Fahrzeuge. Während der ersten Touren in der Praxis werden die Neuen von erfahrenen Mitarbeitenden begleitet. Im täglichen Performance-Dialog spielen Arbeitsschutzthemen ebenfalls eine Rolle. Beispielsweise werden Arbeitsunfälle mit Kfz und Beinahe-Unfälle angesprochen. Eine wirksame Unterstützung im Alltag bieten die Handscanner. Diese sind in 20 Sprachen einstellbar und helfen längst nicht nur bei der Dokumentation der Sendungsübergabe. Die Scanner unterstützen auch beim Arbeitsschutz. Sie verfügen über eine Notruffunktion, warnen vor konfliktbereiten Vierbeinern und geben Hinweise zu schwierigen Kunden sowie Gefahrenstellen.

Ein weiterer Baustein sind Wiederholungsunterweisungen. Sie finden, wie vorgeschrieben, mindestens jährlich statt. Häufig allerdings auch öfter, beispielsweise wenn ein Fahrzeugmodell wechselt oder anlassbezogen nach Unfällen mit besonderer Bedeutung. Dazu kommen bei Bedarf Wiederholungstrainings durch qualifizierte Fahrschulen.

Tipps für kleine Unternehmen

Kleine Unternehmen mit wenigen Fahrerinnen und Fahrern können von solchen Ressourcen natürlich nur träumen. Aber sie haben auch ein paar Vorteile: Der engere Kontakt zwischen Führungsverantwortlichen und Fahrpersonal schafft einen guten Rahmen für die Unterweisung. Allerdings fehlen mitunter die Ideen, woher die richtigen Inhalte für die Unterweisung herkommen sollen. Holger Bach und Andreas Drews von der SVG-Service und Vertrieb Süd wissen Rat: „Die Inhalte ergeben sich aus der Gefährdungsbeurteilung, den gesetzlichen Vorgaben, dem Arbeitsalltag und Unfällen oder Beinahe-Unfällen“, erklären die Unterweisungsexperten. „Richtig brenzlig wird es allerdings, wenn gar keine Gefährdungsbeurteilung vorhanden ist“, sagt Drews. Weitere typische Probleme bei Kleinunternehmen seien unter anderem Zeitmangel, Sprachbarrieren und die Akzeptanz beim Fahrpersonal.

Tipp der Expertinnen und Experten: Unterweisungen gelingen dann, wenn die Inhalte und deren Vermittlung praxisnah sind und die Mitarbeitenden dabei eingebunden werden. Es sei eine gute Idee, die Fachkraft für Arbeitssicherheit zur Unterstützung hinzuzuziehen. Gute Infomaterialien zur Unterweisung gäbe es bei der BG Verkehr und beim Arbeitsmedizinischen und Sicherheitstechnischen Dienst (ASD) der BG Verkehr. Darüber hinaus raten Drews und Bach dazu, digitale Unterweisungsmedien einzusetzen. An der SVG-Akademie gibt es beispielsweise E-Unterweisungen in mehr als 70 Sprachen.

Ein Unterweisungsthema, das bei großen und kleinen Fuhrunternehmen gleichermaßen immer wichtiger wird, ist der Einsatz moderner Fahrerassistenzsysteme. „Fahrerassistenzsysteme bedürfen einer guten Unterweisung des Fahrpersonals, um diese Systeme mit maximaler Effizienz zu nutzen, aber auch die Grenzen dieser Systeme kennenzulernen“, sagt Martin Mayer vom Zulieferer ZF Friedrichshafen AG. Vor allem beim Transport von schweren Gütern oder Gütern mit Überbreite sei es wichtig, sich mit den verbauten Systemen genauer auseinanderzusetzen. 

Martin Küppers bei einem Vortrag während der Branchenkonferenz
© BG Verkehr | Thomas Panzau

Drei Fragen an Martin Küppers, Leiter des Bereichs Regelwerk und Arbeitssicherheit bei der BG Verkehr

Wie sollte eine gute Unterweisung aussehen?

Eine Unterweisung sollte zum Betrieb, zur Tätigkeit und zum Team passen. Bei der Planung darf man gern kreativ sein. Als Einstieg, oder um an vorhandenes Wissen anzuknüpfen, kann man zum Beispiel das Team beteiligen und die Kolleginnen oder Kollegen je kurz ein Stichwort erläutern lassen. Das fördert den Austausch und ist ein guter Kontrast zu einem Unterweisungsvortrag. Alles, was mit der praktischen Handhabung von Fahrzeugen zu tun hat, sollte man möglichst direkt am Fahrzeug unterweisen. Denn was man selbst einmal gemacht hat, prägt sich um ein Vielfaches besser ein als etwas, was man nur gehört oder gesehen hat. Selbstverständlich kann man auch digitale Unterweisungsformate nutzen. Am Ende macht es ein guter Mix.

Welche Fehler sollte man als Unterweisende oder Unterweisender vermeiden?

Eine Unterweisung sollte nicht den Eindruck erwecken, eine lästige Pflicht zu sein. Die Unterwiesenen durchschauen sofort, ob eine Botschaft ernsthaft übermittelt wird oder nur aus lästigem Zwang. Die Unterweisung ist für beide Seiten wichtig. Der Unterweisende muss seiner Unterweisungspflicht nachkommen, damit man ihm keine Pflichtverletzung vorwerfen kann. Die Beschäftigten benötigen die Unterweisung, damit sie sich selbst und andere bei der Arbeit nicht gefährden. Es sitzen sozusagen alle in einem Boot. Es müssen alle die erforderlichen Kenntnisse und Instruktionen haben, damit dieses Boot sicher sein Ziel erreicht.

Wo bekommt man Hilfe und Anregungen?

Beispielsweise bei der BG Verkehr. Die BG Verkehr hat ein ganz beachtliches Angebot an Unterweisungsmedien entwickelt, die zu unseren Branchen passen. Unsere Unterweisungskarten decken wichtige Themen besonders für kleine Betriebe sehr gut ab. Außerdem haben wir eine ganze Reihe von Kurzfilmen, die in drei Minuten auch komplizierte Themen ansprechend darstellen und die sich gut in eine Unterweisung einbinden lassen.

Die BG Verkehr bietet auch hervorragende Seminare für Multiplikatoren an, die mit der Unterweisung befasst sind. Und wir stellen organisatorische Hilfsmittel und Vorlagen zur Verfügung, um unsere Mitgliedsunternehmen dabei zu unterstützen, die Unterweisung zu organisieren und zu dokumentieren. Wertvolle Hilfe leisten natürlich auch die Sifa, die neben der fachlichen Kompetenz ebenfalls über ein Repertoire an Hilfsmitteln und Medien verfügen.

 

Björn Helmke
Redaktion SicherheitsProfi