Die Sonne über der Förde lässt die Landebahn im Sprühregen glitzern. Plötzlich wird die Ruhe auf dem Kieler Flughafen durch laute Motoren gestört. Zwei kleine Propellermaschinen rollen auf die Startbahn, um der Marine in der Luft als Ziele zu dienen. „Neben dem Unternehmen, das für die Zieldarstellung sorgt, sind auf dem Flughafen noch ein Luftsportverein und in den Hangars einige Privatflugzeuge untergebracht. Zudem noch eine Luftwerft, ein Luftfahrtunternehmen zur Durchführung von Helikopterflügen sowie weitere, auch nicht luftfahrtaffine Untenehmen“, erklärt Dennis Schaller von der Flugleitung. Er steht im Tower und gibt den Piloten über Funk die Informationen für die sichere Startdurchführung. Mit 100 Hektar zählt Kiel zu den kleineren Flughäfen. Trotzdem verzeichnet der Verkehrslandeplatz jährlich über 15.000 Starts und Landungen. „Wir sind Basis für Geschäftsreisende, Flüge öffentlicher Auftraggeber und den regionalen Luftsport. Außerdem dienen wir als Ausbildungs- und Schulungsstandort“, sagt er. Schallers Aufgaben reichen von der Flugraumüberwachung bis zur Beaufsichtigung der Starts und Landungen. Hinzu kommt die regelmäßige Wetterbewertung.
Inzwischen sind die Flugzeuge bereits in der Luft. Der Herbst lädt trotz leichten Regens zum Fliegen ein. Ab dem Winter wird das allerdings anders. Am Kieler Flughafen gibt es keinen spezialisierten Winterdienst. Alle Arbeiten liegen in den Händen von Heinz Krüger und seinem Team: von Hausmeistertätigkeiten, wie dem Schneeräumdienst auf Parkplätzen und Wegen, über den Bodendienst, etwa Betanken der Flugzeuge oder Anschluss an die Stromversorgung. Daneben müssen Landebahn, Rollwege, Parkplätze und Grünflächen gepflegt und instand gehalten werden. Ein Teil der Stellflächen ist für Kreuzfahrtpassagiere reserviert. Der Flughafen gehört zum Port of Kiel und ist eng mit dem maritimen Verkehr der Stadt verbunden.
»Wir sind dabei, wenn Leben gerettet werden.«
Vom Kofferträger zum Allrounder
Krüger verantwortet mit seinem Team auch den Brandschutz. Als er beim Flughafen Kiel begann, sah sein Aufgabenbereich noch anders aus: „Ich wollte in den Tourismus und habe damals, als es hier noch Linienverkehr gab, Koffer geschleppt“, erinnert er sich. Weil er Mitglied der freiwilligen Feuerwehr war, konnte er nach einigen Lehrgängen bei der Brandbekämpfung zum Bodenpersonal wechseln. Es folgte Weiterbildung auf Weiterbildung. „Ich habe am Kieler Flughafen schon fast jede Position übernommen. Sogar oben im Tower habe ich die Flugüberwachung geleitet.“ Krüger ist ein echter Allrounder. „Man könnte sagen, dass der Flughafen für mich gebaut wurde.“ Er lacht. Besonders herausfordernd ist für ihn der Winter. „Wenn es schneit, räumen wir die Start- und Landebahn sowie das Vorfeld frei.“ Alle 13 Mitarbeitenden können den Zustand der Piste beurteilen. Das ist besonders wichtig während der Winterdienstzeit, auf die sich der Flughafenbetrieb vom 1. November bis 31. März einstellt.
„Kommen Sie, ich zeige Ihnen mal unsere Maschinen.“ Mit dem orangefarbenen Einsatzfahrzeug geht es zur Halle 71. „Hotel Kilo an Tower: Erbitte Freigabe zum Überqueren der Piste über Bravo und Echo.“ Es knackt im Funkgerät. „Tower an Hotel Kilo: Fahre über Bravo und Echo und überquere die Piste im Osten.“
Vorbei am alten Tower geht es zur Halle 71. Dort warten neben einigen kleinen privaten Propellermaschinen auch zwei zwölf Meter lange Kehrblasgeräte. „Wenn wir die Bahn mit dem Schneeschild freigeräumt haben, kommt dieses Gerät zum Einsatz.“ Er klopft auf den knallorangen Anhänger. Dieser wird an den Traktor montiert und sorgt anschließend für eine nutzbare Landebahn. „Die Kehrbürste entfernt die Schneereste und das Blasgerät pustet alles zur Seite.“ Es braucht Erfahrung, um die Maschine korrekt und schnell einzusetzen. Die Zeit ist knapp: „Während der Räumarbeiten bleibt der Flughafen für alle Flugzeuge gesperrt“, ergänzt Schaller. Der Winterdienst wird aus Sicherheitsgründen immer von zwei Personen durchgeführt. Besonders lange dauert es, wenn die Landebahn gefroren ist.
Krüger lässt einen Traktor von einem Kollegen vorfahren und deutet auf den Anhänger, den man sonst eher aus der Landwirtschaft kennt: „Damit bringen Bauern normalerweise Unkrautvernichtungsmittel aus. Wir nutzen es anders: An unseren Traktor gekoppelt, sprühen wir damit Taumittel auf die Landebahn.“
Das Schmelzwasser fließt an den Seiten der Piste ins Abwassersystem des Flughafens. „Pfützen bilden sich auf unseren Bahnen nicht“, sagt Schaller stolz. Dafür sorgen nicht nur die Teerfugen, sondern die exakt ebene Piste. Neben Taumittel kann auch Granulat verteilt werden. Salz und Sand sind tabu – sie führen zu Korrosion des Luftfahrzeugs, wenn sie aufgewirbelt werden.
Im Winter ist das Betanken von Flugzeugen mit hoher Tankklappe riskant. Die Mitarbeitenden müssen eine Leiter besteigen, um den Schlauch richtig anzubringen. „Das betrifft nur die Dornier 328. Steht man bei Wind und Kälte auf der Leiter, muss man sich konzentrieren. Ein falscher Tritt und man liegt unten“, sagt Krüger.
»Wenn wir die Bahn mit dem Schneeschild freigeräumt haben, kommt das Kehrblasgerät zum Einsatz.«
Auf Ambulanzflüge reagieren
Normalerweise herrscht im Winter nur zwischen neun und 16 Uhr Betrieb. Im Sommer deutlich länger. Trotzdem ist der Flughafen rund um die Uhr einsatzbereit. „Das funktioniert nur, wenn wir sorgfältig planen. Landungen und Starts müssen im Voraus angemeldet werden“, erklärt Schaller. Wegen der Nähe zum Krankenhaus kommt es jedoch immer wieder zu spontanen Einsätzen. „Dann muss ich manchmal mitten in der Nacht vor Ort sein, um die Bahn vorzubereiten“, sagt Krüger. Häufig werden Organe vom Uniklinikum nach Europa geflogen oder es landen Babys für Spezialbehandlungen. „Wenn ich dann ein Baby im Inkubator sehe, weiß ich, warum ich diesen Job mache. Egal, wie stressig es war. Wir sind dabei, wenn Leben gerettet werden“, sagt Krüger und lächelt stolz.
Nach solchen Momenten wirkt der Alltag fast ruhig – doch Routine gibt es am Flughafen Kiel kaum. „Jeder Tag ist anders“, sagt Krüger. Der Flughafen ist an 365 Tagen im Jahr geöffnet. Trotzdem gilt: Wer ihn nutzen will, muss sich vorher anmelden, denn die Betriebszeiten sind begrenzt. Das betrifft vor allem den örtlichen Luftsportverein. Dessen Mitglieder nutzen den Flughafen zum Fliegen und als Startpunkt für Sprungtouren. „Und mit dem Ferienpass können Kinder über den Verein das Fliegen entdecken“, sagt Schaller. Das Interesse am Flughafen ist jedoch nicht nur bei den Kleinen groß. Am Tag des offenen Hangars kamen zahlreiche Besucherinnen und Besucher. „Auch während der Kieler Woche steigt der Betrieb deutlich an“, ergänzt Schaller. Rund 200 Starts und Landungen hat er pro Tag gezählt. Viele Sportfliegerinnen und Sportflieger wollen das Einlaufen der Schiffe aus der Luft beobachten.
Starten und landen können Pilotinnen und Piloten bei fast jedem Wetter. „Das liegt in der Verantwortung der Nutzer“, sagt Schaller. Am besten sind die Bedingungen, wenn der Wind aus Richtung Förde kommt und nicht von der Seite. „Mein Highlight war, als abends bei strömendem Regen die Handballmannschaft des THW Kiel von einem Auswärtsspiel zurückkehrte“, erinnert er sich. „Sie stiegen aus dem Flieger und reckten die Meisterschale Richtung Tower. Das war ein toller Moment.“
»Der Winterdienst wird aus Sicherheitsgründen immer zu zweit durchgeführt.«
Nun muss der Traktor zurück in die Halle. Auch für Krüger und Schaller wird es Zeit, zum Hauptkomplex des Flughafens zurückzukehren. „Hotel Kilo an Tower: Erbitte Freigabe zur Fahrt zurück in den Norden.“ – „Tower an Hotel Kilo: Fahre über Charlie und Delta und überquere die Piste im Westen.“ Kaum sind sie auf der anderen Seite, ertönt das Brummen eines Propellers. Ein weiterer Zieldarsteller für die Marine will starten. Krüger lacht. „Selbst fliege ich gar nicht gern – meine Beine sind einfach zu lang. Aber hier unten kann ich mit meinem Team für einen reibungslosen Ablauf sorgen.“ Der Zieldarsteller beschleunigt und hebt ab. Hinein in den Niesel Richtung Kieler Förde.
Dr. Marc Sgonina
Redaktion SicherheitsProfi