
Blaue Lichtpunkte wandern über den Betriebshof der Kranich Entsorgung GmbH. „Sie warnen: Achtung, hier kommt ein Gabelstapler. So verhindern wir Zusammenstöße“, erläutert Heinrich-Georg Kreisel stolz. Der 61-Jährige ist dieses Jahr noch Geschäftsführer des 2006 von ihm mitgegründeten Betriebs, dann geht er in den Ruhestand. „Aktuell schließe ich ein paar Projekte ab.“ So kümmert er sich um die Erweiterung des Zwischenlagers für Gefahrstoffe in Neumünster. Blaue Fässer stapeln sich neben Metallkästen und gelben Behältern. Die Abfälle darin sind gefährlich für Mensch und Umwelt. Treten sie aus, könnte das Grundwasser verseucht werden. In der Halle sind an den Toren Absperreinrichtungen angebracht, die von Mitarbeitenden bis auf den Boden herabgelassen werden können, um auslaufende Substanzen zurückzuhalten.
„Jedes Teammitglied weiß, wie wichtig mir der Arbeitsschutz ist“, sagt Kreisel. Das erkennen Besucherinnen und Besucher nicht nur an den Blue Spots, die sich an den Gabelstaplern befinden und blaue Punkte auf den Boden projizieren, sondern auch an vielen weiteren Maßnahmen: Im Innenhof etwa ließ Kreisel auf einem der Frachtcontainer ein Gerüst montieren. „Mit dem Gerüst können unsere Leute die Lkw-Dächer ganz bequem von Schnee und Eis befreien – und müssen sich dabei nicht in Gefahr bringen.“ Aus bequemer Höhe können sie mit dem Besen die Dächer reinigen. Ein fest montiertes Geländer schützt vor Absturzunfällen.
Kreisels Engagement kommt nicht von ungefähr. Vor einem Jahrzehnt hatte er auf einem fremden Betriebshof einen schweren Unfall miterlebt. Ein Mitarbeiter war beim Rückwärtsgehen über die Gabel eines unsachgemäß geparkten Hubwagens gestolpert und mit dem Schädel aufs Metall gestürzt. „Er war sofort tot. Der junge Vater hinterließ zwei kleine Kinder und seine Ehefrau“, erinnert sich Kreisel. Eine traurige Geschichte. Noch schlimmer wird sie bei näherer Betrachtung: „Dieser Unfall hätte mit etwas mehr Sorgfalt leicht vermieden werden können“, sagt Kreisel.

„Blaue Punkte warnen: Achtung, hier kommt ein Gabelstapler! So verhindern wir Zusammenstöße.“
Yannick Seifert verlädt gerade im Hof Paletten mit in Sammelbehältern gelagerten Batterien. 700 Tonnen lagert Kranich Entsorgung pro Jahr hier in Neumünster zwischen. Immer häufiger werden auch größere, leistungsstarke Lithium-Akkus bei den Batteriesammelpunkten im Einzelhandel abgegeben. Durch immer mehr Anteile an Lithium-Akkus steigt die Zündgefahr. So zerstörte ein solcher Akku- Brand 2022 eine Wertstoffhalle in Bremen.
So etwas kann bei Kranich Entsorgung nicht passieren: Hier lagern die Akkus im Hof in Frachtcontainern und nicht in einer der Hallen. Sollte es zum Brand kommen, können die Metalltüren geschlossen und der Innenraum Batvon der Feuerwehr mit Löschwasser geflutet werden. Regelmäßige Temperaturmessungen überwachen die Akkus. Einige Fachkräfte sind speziell geschult, Batterien anhand ihres Zustands in die Kategorien „defekt“ oder „kritisch defekt“ einzuteilen. Entsprechend dieser Einteilung werden Behälter der benötigten Verpackungsgruppe und für den vorliegenden Batterietyp ausgewählt.

„Seit 2009 veranstalten wir jedes Jahr einen Tag der Arbeitssicherheit.“
Belieferung der Sammelstellen
„1.000 Tonnen Leuchtmittel transportieren wir im Jahr.“ Kreisel deutet auf Paletten mit ordentlich verpackten Energiesparlampen und Leuchtstoffröhren. So gesichert können sie zu den verschiedenen Recyclingunternehmen der Hersteller gebracht werden. Falls eine Lampe bricht, dürfen die Scherben weder aus der Verpackung austreten noch das Personal verletzen. Dafür lässt Kreisel die Transportbehälter zusätzlich folieren.
Insgesamt bis zu 4.500 Tonnen Abfälle bringt das Unternehmen im Jahr zum Zwischenlager und zur Sonderabfallverbrennung. So stehen neben den Containern mit Leuchtmitteln auch Behälter mit Krankenhausabfällen. Die Deckel dieser Behälter rasten nach dem Schließen ein, sodass sie nicht mehr geöffnet werden können. Diese Maßnahme verhindert das Austreten von Inhaltsstoffen und Verletzungen an spitzen und scharfen Gegenständen. Zum Zwischenlagern und Transportieren hat das Unternehmen extra ein Kühlfahrzeug angeschafft, das die Abfälle auf bis zu –10 Grad Celsius runterkühlen kann. „So riecht hier nichts, selbst wenn die Touren mal etwas länger dauern“, führt Kreisel aus.
Betritt man das Lager, erheben sich an den Seiten verschiedenste Behälter: Fässer, Kanister und Metallbottiche. In den meisten befinden sich brennbare, giftige oder ätzende Stoffe, die das Unternehmen zur Vernichtung zur Sonderabfallverbrennung transportiert. Das Team wiegt und kontrolliert alles sorgfältig. Dabei werden die Gefäße vorsichtig geöffnet, um zu prüfen, ob der Inhalt mit dem Etikett übereinstimmt. „Herr Kreisel kam auf die BG Verkehr zu und bat darum, die Inhaltsstoffe der gegebenenfalls frei werdenden Dämpfe und Gase beim Öffnen der Behälter zu messen“, erklärt Ralph Schneider, Aufsichtsperson bei der BG Verkehr. „Ich möchte es genau wissen: Sind die entweichenden Gase gefährlich für meine Mitarbeiter? Nicht, dass sich meine Leute die Gesundheit ruinieren“, ergänzt der Geschäftsführer
Das Unternehmen lagert Chemikalien von großen und kleinen Betrieben, zum Beispiel aus der Industrie. Die Abfälle lagern maximal ein halbes Jahr bei Kranich Entsorgung. Sobald der Transporttermin zu der Sonderabfallverbrennung steht, wird der jeweilige Abfall dort vernichtet. Dabei gilt: „Wir machen keinen Unterschied zwischen kleinen und großen Kunden. Alle haben Problemstoffe, egal ob es Krankenhäuser oder Bauernhöfe sind“, sagt Kreisel. Sogar für Schulen war der Geschäftsführer schon unterwegs. „Man muss Fachwissen haben, um die Chemie- oder Physikmaterialien einer Schule zu entsorgen“, meint er. Das bedeutet in diesem Fall, alle Chemikalien bereits vor dem Transport so zu trennen, dass sie nicht miteinander reagieren können. Kreisel selbst ist Chemie-Ingenieur und war früher oft bei Abholungen dabei.

Insgesamt bis zu 4.500 Tonnen Abfälle bringt das Unternehmen im Jahr zum Zwischenlager und zur Sonderabfallverbrennung.
Regelmäßige Arbeitsschutz-Treffen
Dass Kreisel Arbeitsschutz sehr ernst nimmt, zeigt er in den monatlichen Treffen aller Mitarbeitenden. Ziel ist es, über Verbesserungen zu sprechen. Gefährliche Situationen und Beinahe-Unfälle kommen zur Sprache und Lösungen werden gesammelt. „Wenn jemand zum Beispiel etwas fürs Fahrzeug braucht, wird das besorgt. Unsere Lkw sind mit allem ausgestattet, was an Sicherheitsfeatures möglich ist.“
Seit 2009 veranstaltet Kranich Entsorgung jedes Jahr einen Tag der Arbeitssicherheit, der zu einem festen Bestandteil der Unternehmenskultur geworden ist. An diesem Tag stehen alle Arbeiten still: Jedes Fahrzeug wird auf den Hof gefahren und gründlich durchgecheckt. Auch werden sämtliche Prüfungen beweglicher Arbeitsmittel durchgeführt. Es folgen Unterweisungen und interne Gespräche zum Arbeitsschutz. Zum Abschluss steht ein fröhliches Beisammensein beim gemeinsamen Essen auf dem Programm. „Das kostet uns natürlich einen vollen Arbeitstag“, räumt Kreisel ein. Doch für den Geschäftsführer ist der Aufwand eine Investition in die Zukunft: „Dass wir sicher arbeiten, gehört zu unserer Reputation. Jeder Kunde weiß, dass wir verlässlich sind.“
Diese Sicherheitsstandards zahlen sich auch im Alltag aus. So profitieren Mitarbeitende davon, wenn sie in eine Polizeikontrolle kommen. „Werden meine Leute angehalten, geht eine Kontrolle meist sehr schnell. Ruhezeiten werden eingehalten und die Ladung kommt termingerecht vom Kunden zur Entsorgungsanlage.“
BG Verkehr als Beraterin
Schneider freut sich: „Zu Kranich Entsorgung komme ich nicht wegen Unfällen, sondern als Berater.“ Die Blue Spots der Gabelstapler wurden zum Beispiel eingeführt, als Kreisel um Vorschläge für mehr Sicherheit auf dem Betriebshof bat. „In einem Logistikunternehmen gab es viele Unfälle mit Gabelstaplern. Als diese mit den Blue Spots nachgerüstet wurden, gingen die Unfälle deutlich zurück“, berichtet die Aufsichtsperson der BG Verkehr. Das überzeugte Kreisel.
„Das Unternehmen war eines der ersten in Norddeutschland, die ein Arbeitsschutzmanagementsystem der BG Verkehr installierten“, lobt Schneider. Und das hatte für Kranich Entsorgung bisher nur Vorteile. Nicht zuletzt für den Umsatz: „Viele Ausschreibungen verlangen, dass wir ein solches System nutzen“, erklärt Kreisel. Zu Beginn seines Unternehmens war dieses System ein Garant dafür, Aufträge zu erhalten, und damit für den Erfolg. „Außerdem ist es ein Qualitätsmerkmal bei Stellenausschreibungen.“ Denn ein Arbeitgeber erscheint gleich viel attraktiver, wenn er sich um die Gesundheit seiner Mitarbeitenden sorgt. Und Fachkräfte sind schwer zu finden. „Ein Unfall und damit ein wochenlanger Ausfall bedeuten hohe Kosten für das gesamte Unternehmen“, weiß Kreisel.

„Zu Kranich Entsorgung komme ich nicht wegen Unfällen, sondern als Berater.“
Zur Tochter geworden
Seit 2021 gehört das Unternehmen zur Hamburger Otto-Dörner-Gruppe. „Wir sind jetzt ein Tochterunternehmen, durften aber unseren Namen behalten“, sagt Kreisel. Der Grund ist einfach: Die Marke hat in Norddeutschland einen hohen Bekanntheitsgrad und einen guten Ruf. Der Neumünsteraner Betrieb kümmert sich weiterhin um Sonderabfälle in der Unternehmensgruppe. „Unser Einsatzgebiet hat sich erweitert. Wir sind in Hamburg, Schleswig-Holstein, im Norden von Niedersachsen und in Teilen Mecklenburg-Vorpommerns unterwegs. Für das Leuchtmittel-Recycling geht es sogar darüber hinaus: Wir fahren nach Brandenburg und ins nördliche Nordrhein-Westfalen“, beschreibt Kreisel.
Für Innenstadtfahrten nutzt das Unternehmen Kleintransporter. „Damit sind wir flexibler“, hebt Kreisel hervor. Gerade fährt ein solcher auf den Hof. Während die Mitarbeiter das Fahrzeug mit Gabelstaplern entladen, führt Kreisel über eine Rampe zurück ins Hauptgebäude. „Bitte halten Sie sich am Handlauf fest“, mahnt er seine Gäste freundlich.
Dr. Marc Sgonina
Redaktion SicherheitsProfi

„Bei uns feiert kein Behälter Geburtstag – keine Ladung ist älter als ein halbes Jahr im Lager.“