Blick auf ein Förderband, auf dem Pakete transportiert werden.
© Dierk Kruse

Auf dem Display tauchen im Millisekun­dentakt Zahlen auf. Jedes Paket, das im Paketzentrum Ludwigsfelde landet, läuft durch den riesigen Scanner, der blitzschnell Abmessungen, Gewicht und Zielort erfasst. Die Dimensionen dieses 50K-Paketzentrums zu verarbeiten, ist dagegen ganz sicher nicht so leicht. Denn 50K steht für 50.000 Pakete – pro Stunde. Von einem Ende des Gebäudes zum anderen schauen? Fast unmöglich. Durch drei Ebenen hindurch die Decke sehen? Schwierig. Sich orientieren? Erstaunlich einfach.

Sofort nachdem Standortleiter Christian Drä­ger die Tür zur Sortierhalle geöffnet hat, fallen sechs unterschiedlich farbige Linien auf dem Boden auf. Sie führen zunächst zu einem Tre­sen, über dem ein großer Bildschirm hängt. Die Beschäftigten schauen, mit welcher Farbe ihr Name dort hinterlegt ist, folgen der Linie auf dem Hallenboden und kommen ohne Um­wege dort an, wo sie hinmüssen. Hinter dem Tresen: eine Frau mit freundlichem Lächeln.

Eine Frau steht an einem Schreibtisch und lächelt in die Kamera. Vor ihr liegt eine Computertastatur.
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Hallenkoordinatorin Milena Miethling an ihrem Arbeitsplatz

Milena Miethling kennt als Hallenkoordinato­rin alle, die hier Tag für Tag zum Display hinauf­schauen, um zu erfahren, an welcher Endstel­le sie heute arbeiten. „Ich kann mir natürlich nicht jeden Namen merken, aber ich kenne alle Gesichter“, sagt Miethling stolz. Ihr Job ist es, die Schichten zu planen und die Aufgaben in den sogenannten Schenkeln zu verteilen. Dazu gehört viel mehr, als nur einen Namen in eine Tabelle einzutragen. Miethling ist seit Eröffnung des Paketzentrums in Ludwigsfelde und weiß genau, wer an welcher Stelle gern und gut arbeitet. „Das heißt: zuhören und hinschauen – und es sich merken“, sagt sie. „Natürlich geht es bei uns am Ende um eine gute Produktivität und effizientes Arbeiten. Aber das funktioniert nur, wenn wir auf unsere Beschäftigten eingehen“, fügt Standortleiter Dräger hinzu.

Vor ziemlich genau drei Jahren, im Juni 2022, startete der Betrieb in diesem Paketzentrum, das eines der drei größten DHL-Zentren in Deutschland ist. Zuvor befand sich hier ne­ben der Bahntrasse zwischen Berlin und dem Süden der Republik sowie in Sichtweite zum Mercedes-Benz-Werk – nichts. „Die Planung auf der grünen Wiese hatte den großen Vorteil dass wir hier viel mit Blick auf die Zukunft um­setzen konnten“, sagt Christian Dräger, wäh­rend Eberhard Brunck neben ihm zustimmend nickt. Als Aufsichtsperson bei der BG Verkehr ist Brunck in der Planungs- und Bauphase ein wichtiger Ansprechpartner für Fragen des Ar­beitsschutzes gewesen. Entstanden ist ein Standort mit Vorbildcharakter.

Ein Mann steht im Paketzentrum mit schwarzen Haaren und gelber Warnweste lächelt mit verschränkten Armen in die Kamera.
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Abdelaziz Shahin hat die Aufsicht über einen ganzen Schenkel im Paketzentrum. © Dierk Kruse

Leicht verständliches Leitsystem

Wegweisend im Wortsinn sind beispielsweise die farbigen Linien. Von der Eingangstür bis zum letzten Arbeitsplatz rund 500 Meter ent­fernt leiten sie die Beschäftigten durch die Sor­tierhalle bis in die beiden sogenannten Schen­kel des u-förmig aufgebauten Paketzentrums.

Die Idee ist nicht neu, aber in dieser Form bei der DHL erstmals in Ludwigsfelde umgesetzt worden. Nach der erfolgreichen Testphase hat sich das Prinzip in allen anderen Paketzentren etabliert. Die Farben sind – im Gegensatz zu Schildern mit Text – ohne Sprachkenntnisse leicht verständlich. Menschen mit einer Farb­sehschwäche können sie klar unterscheiden. Selbst aus dem Augenwinkel lassen sie sich eindeutig wahrnehmen. „Bei den Dimensionen des Paketzentrums sind die Wege von und zum Arbeitsplatz entsprechend lang – und die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass bei Unachtsamkeit unterwegs etwas passiert“, sagt Dräger, der in der Corona-Pandemie vom nahe gelegenen Nutzfahrzeugwerk zur DHL wechselte. Mit seinem Fachwissen begleitete er den Aufbau des Paketzentrums, übernahm zunächst die Leitung der Technik und dann die Standortleitung. Viele seiner rund 450 Be­schäftigten sind seit Eröffnung neu eingestellt worden.

Andere wiederum sind schon lange bei der DHL – wie Abdelaziz Shahin, der ge­rade am Empfangstresen vorbei in Richtung Pausenraum geht. Vor dreizehn Jahren begann er als Zusteller, qualifizierte sich immer wei­ter, übernahm die Schulung und Ausbildung anderer Zustellerinnen und Zusteller, bis er die Möglichkeit bekam, in Ludwigsfelde als Aufsicht anzufangen. Heute ist er für die Ko­ordination der Abläufe im rechten Schenkel verantwortlich und freut sich über gut planbare Arbeitszeiten, von denen sein Familienleben enorm profitiert.

Ein Mann mit Handschuhen spannt einen Kettenzug zwischen zwei Blechen eines Abrollbehälters, um diesen geradezubiegen.
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Arno Benz nutzt einen Kettenzug für die Reparatur eines Rollbehälters.

In acht Minuten durchs Paketzentrum

Eine Aufsicht kümmert sich unter anderem darum, dass an den Entlademodulen alles reibungslos abläuft. Damit sind die Eingangs­förderbänder gemeint. Sie befinden sich in dem Gebäudeteil, der die beiden Schenkel der Anlage miteinander verbindet. Wer der blauen Linie folgt, kommt genau hier an. Wenn die vollgeladenen Wechselbehälter an den Toren andocken, beginnt der Job für die Entladerinnen und Entlader. Bevor die Tech­nik des Paketzentrums übernimmt, leisten sie jeden Tag einen unverzichtbaren Bestandteil am Erfolg: Jedes einzelne Paket geht durch ihre Hände. Aus den Wechselbehältern legen die Beschäftigten sie auf das Förderband. Befinden sich bepackte Rollbehälter in den Wechselbehältern, müssen die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeiter sie zunächst heraus­ziehen und dann jeden Rollbehälter einzeln entladen. Dabei achten sie darauf, ob sie an den häufig sehr stark belasteten Behältern Mängel entdecken. Solche Behälter werden gleich aussortiert und landen in der hauseigenen Werkstatt (siehe Kasten).

Eine Ebene weiter oben, in 3,5 Meter Höhe, laufen die Pakete von den Entlademodulen in den Sorter. Dann geht es durch den Sechssei­tenscanner, der die exakten Abmessungen, das genaue Gewicht und das Ziel des Pakets an den Materialflussrechner weitergibt. Der wiederum berechnet den idealen Weg des Versandstücks durch die Halle. Ist an der Ziel-Endstelle genug Platz, wählt das System den direkten Weg. Stauen sich dort die Pakete, dreht das Paket eine Extrarunde durch die Hal­le. Zwischen fünf und acht Minuten dauert die Reise in der Anlage. An einzelnen Kontrollstel­len laufen die Pakete erneut durch Scanner, um die Routenplanung so exakt wie möglich zu machen. Hier oben sind nur wenige Be­schäftigte unterwegs. Falls ein Paket hängen bleibt, gefährdet das den gesamten Ablauf. Deshalb sind die Entstörteams unverzichtbar. Der Leitstand Technik ruft sie per Funk, wenn sich etwas verkantet hat oder anderweitig für Störungen sorgt. Denn die Technik kann die hohe Sortierleistung nur bringen, wenn die Be­schäftigten bei Problemen schnell reagieren. 

Ein Mann in Warnweste sitzt am Lenkrad eines Wechselbrückenumsetzfahrzeugs. Er ist angeschnallt und hat eine Hand am Lenkrad.
© Dierk Kruse
Daniel Schmuckat am Lenkrad seines Wechselbrückenumsetzfahrzeugs.

Ein weiteres Beispiel für die sorgfältige Neu­planung des Zentrums zeigt sich auf der dritten Ebene. Sieben Meter über dem Hallenboden sind neben den Entstörerinnen und Entstö­rern noch die Techniker unterwegs, die immer dann eingreifen, wenn die Laufbänder, die Rol­len oder andere Steuerungsteile nicht mehr wie geplant funktionieren. Im Gegensatz zu Paketzentren mit älterer Technik gibt es hier Schnelllaufwege, auf denen die Beschäftig­ten schnell zu den einzelnen Stellen gelangen können, anstatt immer über mehrere Förder­bänder hinwegsteigen zu müssen. „Diese Wege minimieren die Unfallgefahr, die sonst beim häufigen Treppensteigen besteht – be­sonders wenn man es eilig an“, sagt Dräger. „Und sie verkürzen die Wegezeit, sodass wir hier im Gegensatz zu deutlich kleineren Pa­ketzentren nur ein Drittel an Entstörungskräf­ten brauchen.“

Dem Lauf der Förderbänder folgend und am Ende einer Paketrutsche wartet das nächste Förderband auf die Pakete. Wie beim Entla­den eines Wechselbehälters ist auch dieses Förderband teleskopierbar, damit der Weg zur Beladestelle so kurz wie möglich ist. An insgesamt 288 Toren stehen Wechselbehälter und werden entweder be- oder entladen – in drei Schichten und an sechs Tagen die Wo­che. Auf dem Außengelände dürfen nur DHL-eigene Umsetzfahrzeuge die Wechselbehäl­ter an die Tore bringen. Die Lkw-Fahrerinnen und -Fahrer stellen die Wechselbehälter auf eigens ausgewiesenen Übergabeplätzen ab und übernehmen sie dort auch wieder.

Die Leitstellen haben alles im Blick

Die Verkehrssteuerung erfolgt über die Hof­leitung. Von hier haben die Schichtleiter alle Ladetore sowie die Ein- und Ausfahrt im Blick. Sie übernehmen nicht nur die Koordination der ankommenden Lkw, sondern auch die Verteilung der Aufträge an die Umsetzfahr­zeuge. Im Raum nebenan hängen weitere Bildschirme an der Wand, diesmal mit Blick ins Innere der Halle. Hier sitzt Mirco Mieth­ling. Der Schichtleiter Technik ist gelernter Fluggerätemechaniker. Vor drei Jahren fing er als Hallentechniker in Ludwigsfelde an. Heute kontrolliert er die Abläufe, beauftragt und steuert die Reparatur- und Entstörteams. Außerdem hat er den Materialflussrechner stets vor Augen. Miethling, der Name klingt doch bekannt? „Milena ist meine Frau“, sagt Miethling und lächelt. Beide haben völlig unterschiedliche Jobs – den guten Überblick über ein faszinierendes System allerdings ha­ben sie gemeinsam.

Moritz Heitmann
Redaktion SicherheitsProfi