Astronauten im Weltall
© Dr. Jörg Hedtmann / mit KI erstellt

Deutsche im Weltall: Das ist bereits seit 1978 keine Science-Fiction mehr. Damals reiste der legendäre Kosmonaut Sigmund Jähn an Bord der Sojus 31 zur sowjetischen Raum­station Saljut 6 und kehrte nach sieben Tagen auf die Erde zurück. Nach Jähn waren elf weite­re Deutsche im All, allesamt als Gast bei sowjetischen, russischen oder US-amerikanischen Missionen. Gemeinsam hatten sie eins: Sie wurden von staatlichen Agenturen ins Weltall geschickt, beispielsweise der European Space Agency (ESA), die das europäische Astronautencorps betreut.

Doch mittlerweile drängt es neben ESA, NASA und Co. den „New Space“ zu den Sternen. Ge­meint sind kommerzielle Raumfahrtunterneh­mungen, zum Beispiel Space X von Elon Musk. Sie sind durch private Investoren finanziert und konkurrieren um das wachsende Geschäfts­feld der Raumfahrt. Dazu gehört längst nicht nur der Transport von Satelliten in die Erdum­laufbahn, sondern auch die astronautische Raumfahrt. Für Schlagzeilen sorgen die Stipp­visiten betuchter Weltraumtouristen, die für einen Suborbitalflug umgerechnet mindestens 250.000 Euro hinblättern. „Wer zur Raumstation ISS will, muss 50 Millionen Euro bezahlen“, so Prof. Dr. Reinhold Ewald in der Broschüre „Si­cherheit und Gesundheit in der kommerziellen Raumfahrt“, welche die BG Verkehr vor wenigen Tagen herausgebracht hat.

Deutsche Astronautinnen und Astronauten

Reinhold Ewald gehört zu den Deutschen, die bereits im Weltall waren. Am 10. Februar 1997 startete er mit der Sojus TM-25 zur russischen Raumstation Mir, führte an Bord zahlreiche Life-Science-Experimente durch und kehr­te am 2. März zur Erde zurück. Gemeinsam mit Prof. Dr. Claudia Stern, Abteilungsleite­rin für klinische Luft- und Raumfahrtmedizin am Deutschen Zentrum für Luft- und Raum­fahrt (DLR), stand Ewald den Präventionsexperten der BG Verkehr für die Raumfahrt­broschüre Rede und Antwort.

Ewald und Stern liefern in der Broschüre ei­nen Überblick über Risiken und Gesundheits­gefahren in der Raumfahrt, der auch für Laien faszinierend ist. Ein weiterer Kernpunkt ist der Vergleich zwischen dem Vorgehen des „New Space“ und der klassischen, von den Agenturen betriebenen Raumfahrt in Fragen der Sicherheit.

Der Aufenthalt im All ist gesundheitlich eine Herausforderung, wie Claudia Stern klarstellt: „70 Prozent der Astronauten bekommen das Space-Adaptation-Syndrom mit Übelkeit bis zum Erbrechen.“ Gleichzeitig sammelt sich Flüssigkeit im Kopf und Gehirn, was das Den­ken schwerer macht. „Dann beobachten wir Muskel- und Knochenverlust, Muskelkraftver­lust sowie Veränderungen an den Augen – hier sind ebenfalls 70 Prozent betroffen“, ergänzt die Medizinerin. Zudem leiden zahlreiche Astronauten wegen des hohen Kohlendioxyd-Gehalts an Bord permanent unter starken Kopfschmerzen.

Feuer an Bord der Raumstation

Auch ungeplante Ereignisse haben andere Konsequenzen als auf der Erde. Als Reinhold Ewald an Bord der Mir war, entzündete sich eine Patrone zur Sauerstofferzeugung. „Es gab eine Stichflamme wie aus einem Schneidbrenner, die nicht nur die umgebende Struktur der Patrone abschmolz, sondern auch Qualm, Rauch und diverse Emissionen in die Umgebungsluft freisetzte“, sagt Ewald. Die Reaktion konnte mit Wasserlöschern heruntergekühlt werden und das Feuer erlosch, aber zurück blieben Brand­gase, die man natürlich nicht ins All ablassen konnte. Die Luft musste durch Ventilatoren und Filtersysteme gereinigt werden – während die­ser Zeit trug die Besatzung Sauerstoffmasken. „Das ist eines von den Ereignissen, auf die man im Training vorbereitet wird“, erklärt Ewald. Andere Szenarien seien ein plötzlicher Druckverlust oder der Austritt von Ammoniak aus dem äußeren Kühlsystem.

Personen sitzen in einem Besprechungsraum und schauen in die Kamera.
© DLR
Raumfahrt trifft Berufsgenossenschaft: Astronaut Reinhold Ewald und DLR-Abteilungsleiterin Claudia Stern mit den Präventionsexperten Christoph Caumanns, Martin Küppers und Jörg Hedtmann (von links).

Sowohl Ewald als auch Stern machen deutlich, wie essenziell sorgfältiges Training für die Si­cherheit und den wissenschaftlichen Erfolg von Raumfahrt-Missionen sind. Das sollte na­türlich ebenfalls für die kommerzielle Raum­fahrt gelten. Allerdings unterscheiden sich die Einsatzparameter zwischen den Missionen der Agenturen und denen in der kommerziellen Raumfahrt deutlich. Die Astronautinnen und Astronauten in den Agenturen werden teilwei­se über mehrere Jahre auf lange Missionen vorbereitet. In der kommerziellen Raumfahrt ist die Missions- und Trainingsdauer norma­lerweise deutlich kürzer.

Und es gibt weitere Unterschiede. „In der kom­merziellen Raumfahrt spielen Zeit, Geld und Ressourcen eine besondere Rolle. Das Über­schreiten roter Linien im Hinblick auf den Er­halt von Sicherheit und Gesundheit ist bei kon­kurrierenden Interessen besonders schwierig zu vermeiden. Wenn es um den Erfolg und um Termine geht, werden Sicherheitsinteressen möglicherweise im Einzelfall anders beurteilt als bei den Raumfahrtagenturen“, sagt Claudia Stern. „Ein Problem ist das reduzierte Training. Aber intensives Training und die Kontrolle des Trainingserfolgs, mag das auch lang dauern und teuer sein, sind für alle auf einer Raum­station lebenswichtig.“

Ungelöste Probleme auf dem Weg zum Mars

„Meine Befürchtung ist, dass wir minder gut vorbereitete Missionen sehen werden“, sagt Reinhold Ewald mit Blick auf die kommenden zehn bis 20 Jahre. Als Beispiel nennt er kom­merzielle Missionen, bei denen die Crew voll­ständig von der Steuerung durch die und der Kommunikation mit der Bodenstation abhängt. Ein Unglück bei einer touristischen Mission könnte negativ auf das gesamte Raumfahrt­programm zurückschlagen, so die Befürchtung des Astronauten. Optimistisch ist Ewald hin­sichtlich der Mondmissionen der NASA Artemis II und Artemis III, wenngleich nicht im derzeiti­gen Zeitplan. Für die erste Marslandung sieht er hingegen noch ungelöste Probleme – bei­spielsweise beim Schutz der Astronautinnen und Astronauten vor Strahlung oder bei den nicht untersuchten Fragen, ob sich der Hirn­druck im All erhöht und welchen Grund bei früheren Missionen beobachtete Augenverän­derungen haben.„Eine solche Mission muss nicht nur überlebbar sein, sondern muss auch mit einer gewissen Garantie der gesunden Rückkehr verbunden sein“, sagt Ewald.

Björn Helmke
Redaktion SicherheitsProfi