
Wer mit Pferden vertraut ist, weiß: Fühlen sie sich bedroht oder gestresst, möchten sie am liebsten fliehen. Allein deswegen ist in Betrieben mit Pferdehaltung die umfassende Prävention eine besondere Herausforderung. Dementsprechend breit gefächert ist der Inhalt der neuen Broschüre zur Unfallverhütung. Sie beschreibt in zwölf Kapiteln unter anderem typische Unfallursachen, persönliche Schutzausrüstung, Bau und Ausrüstung von Kutschen, Maschinen und Geräte, bauliche Einrichtungen und die Organisation des betrieblichen Arbeitsschutzes. Bei Betriebsbesuchen entdecken die Kolleginnen und Kollegen aus der Prävention immer wieder Schwachstellen. Meist sind die Grundlagen des systematischen Arbeitsschutzes nicht bekannt – oder werden nicht umgesetzt. Um unsere Mitgliedsunternehmen bei dieser Pflicht zu unterstützen, enthält die neue Broschüre sieben Checklisten. Sie sind auch online ausfüllbar. So behält man den Überblick über die Organisation des Arbeitsschutzes, geplante Maßnahmen und deren Umsetzung.
Dorothee Pehlke
Redaktion SicherheitsProfi
Die Probleme zeigen sich meist schon vor dem Aufsteigen
Herr Güldenpfennig, zu Themen rund ums Pferd gibt es von der FN und anderen bereits eine Fülle von Informationen. Kann die BG Verkehr da noch etwas Neues bieten?
Es gibt in der Tat zu „Pferde-Themen“ sehr viele gute Publikationen. Sie gehen aber selten explizit auf die Belange des Arbeits- und Gesundheitsschutzes ein. Eine Herausforderung für die Betriebe mit Pferdehaltung ist, die vorhandenen Infos mit der betrieblichen Arbeitsschutzorganisation zu verknüpfen. Die Pferdebroschüre der BG Verkehr unterstützt dabei mit fachlichen und rechtlichen Informationen sowie Hinweisen und Tipps für die Praxis. Checklisten am Ende der Kapitel dienen unter anderem als Hilfe zur Erstellung der betrieblichen Gefährdungsbeurteilung.
Das klingt etwas kompliziert ...
Eine Gefährdungsbeurteilung ist für sich genommen nicht schwer, häufig wird sie im Kopf durchgeführt. Beispielsweise wenn die Betriebsleitung feststellt, dass man an der Bodenluke abstürzen könnte, und daraufhin dort eine Absturzsicherung anbringt. Die Gefährdungsbeurteilung ist ein wesentliches Dokument im Arbeitsschutz. Eine schriftliche Gefährdungsbeurteilung muss in jedem Betrieb, unabhängig von der Betriebsgröße, vorliegen.
Wie hilft die neue Broschüre dabei?
Die fachlichen Informationen in Verbindung mit den Checklisten am Ende der jeweiligen Kapitel dienen der betrieblichen Selbsteinschätzung, um zum Beispiel zu überprüfen, ob in der Gefährdungsbeurteilung an alles gedacht wurde. Diese Checklisten sind auch hilfreich, um sich auf Betriebsrundgänge durch die Fachkraft für Arbeitssicherheit oder die Berufsgenossenschaft vorzubereiten.
Sie werten die Unfallanzeigen aus und untersuchen Unfälle, die schwere Folgen haben. Was fällt auf?
In Unfallanzeigen wird oft von einem unvorhersehbaren Verhalten des Pferds gesprochen. Häufig lassen sich diese Vorgänge aber durch die natürlichen und typischen Verhaltensweisen des Pferds und durch seine Anatomie erklären. Deswegen erläutern wir diese Themen am Anfang der Broschüre.
In der BG-Statistik macht „Vom Pferd getroffen, erfasst, gebissen“ in der Pferdehaltung den Großteil der meldepflichtigen Unfälle aus. Das passiert meistens im Stall bei der Pflege und beim Führen der Pferde. Bei solchen Unfällen kommt es zu Hand- und Fußverletzungen, nicht selten auch schweren Prellungen durch Pferdetritte an Kopf und Körper – gelegentlich sogar mit tödlichem Ausgang. Ebenfalls erheblich sind die Unfallzahlen durch Stürze vom Pferd. Einige dieser Unfälle sind sehr tragisch ausgegangen.
Die Berufsgenossenschaft hat in der Regel mit gut ausgebildeten Profis zu tun. Wie erklären Sie sich diese typischen Fehler?
Viele Unfälle resultieren aus dem persönlichen Verhalten der Person, die mit dem Pferd umgeht, und der darauffolgenden Reaktion des Pferds. Dabei habe ich den Eindruck, dass Routine manchmal zur Sorglosigkeit verleitet. Auch eine umfassendere Unterweisung und Ausbildung derjenigen, die mit dem Pferd umgehen, hätte manche Verletzung verhindert. Unfälle, weil sich jemand von hinten dem Pferd nähert und dann getreten wird, gibt es leider immer noch!
Eine persönliche Frage zum Schluss: Haben Sie schon mal auf einem Pferd gesessen?
Ja, das habe ich tatsächlich schon. Eigene Pferde habe ich allerdings nicht. Ich möchte aber auch niemandem das Reiten erklären! Vor zwei Jahren habe ich den Kutschenführerschein Teil A absolviert. Dazu gehört auch eine Einheit „Umgang mit dem Pferd“. Dort habe ich die wesentlichen Tätigkeiten am Pferd selbst durchführen können. Diese Erfahrungen waren sehr hilfreich.
Die Fragen beantwortete Axel Güldenpfennig. Er ist Fachreferent für Pferdehaltung bei der BG Verkehr und Projektleiter der neuen Broschüre.
Weiterführende Informationen
Unfallverhütung in der Pferdehaltung
Broschüre der BG Verkehr