Mitarbeiter arbeitet an einer Absetzkippmulde vor einem Radlader
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Auf dem Betriebsgelände eines Entsorgungsunternehmens möchte der Lkw-Fahrer einen Behälter auf den Absetzkipper aufladen. Auf dem Abstellplatz hängt er die Ketten der Absetzkippeinrichtung in die Aufhängezapfen des Behälters ein. Plötzlich setzt ein Radlader zurück, nähert sich dem Fahrer und quetscht ihn ein.

Was waren bei diesem Unfall die Ursachen? Dabei hilft die Analyse des unfallrelevanten Arbeitssystems mit folgenden Elementen weiter (siehe Grafik). Der geschilderte Unfall passiert, als der Maschinenführer den Radlader auf dem Behälter-Abstellplatz rückwärtsfährt. Nun können beispielsweise bei den Unfallursachen diese Punkte relevant sein:

  • bauliche Aspekte wegen fehlender räumlicher Trennung des Fahrbereichs vom Behälter-Abstellplatz,
  • technische Aspekte wegen eingeschränkten Sichtfelds für den Maschinenführer aus der Radlader-Kabine.
Analyse der Unfallursachen
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Analyse der Unfallursachen

Bei der weiteren Betrachtung des Arbeitssystems Maschinenführer-Radlader rücken die Systemelemente Maschinenführer, Radlader und Information/Qualifikation in den Vordergrund. Daraus ergibt sich die Frage: Wie hätte das Entsorgungsunternehmen den Maschinenführer qualifizieren und unterweisen müssen, damit er in der Lage ist, den Radlader sicher zu verwenden? Eine Antwort bietet die Technische Regel für Betriebssicherheit „Qualifikation, Unterweisung und Beauftragung von Beschäftigten für die sichere Verwendung von Arbeitsmitteln“ (TRBS 1116).

Anforderungen der TRBS 1116

Bereits am 22. März 2023 wurde die TRBS 1116 im Gemeinsamen Ministerialblatt bekannt gemacht. Sie beschreibt für den Geltungsbereich der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) ein Verfahren mit Vermutungswirkung für Unternehmerinnen und Unternehmer, um rechtssicher Beschäftigte für die Verwendung von Arbeitsmitteln auszuwählen und zu qualifizieren. Jedoch ist die TRBS 1116 kein „Muss“: Unternehmerinnen und Unternehmer können auch andere, gleichwertige Verfahren einsetzen. Ziel ist es, dass beauftragte Beschäftigte über Fachkenntnisse, Kompetenzen und Fertigkeiten verfügen, die sie befähigen, Arbeitsmittel sicher zu verwenden. Dies gilt insbesondere für Arbeitsmittel, deren Verwendung mit besonderen Gefährdungen verbunden ist (gem. § 12 [4] BetrSichV). Diese sollten Unternehmen mit ihrer Gefährdungsbeurteilung identifizieren. Dabei hilft die TRBS 1116, weil sie entsprechende Beispiele aufführt, nämlich: gefährliche Betriebszustände des Arbeitsmittels, wie zum Beispiel durch Kippgefahr oder Überlastung von Kranen, aber auch Aufenthalt von Personen im Gefahrenbereich.1

Außerdem listet die TRBS 1116 konkrete Arbeitsmittel auf, für deren Verwendung ebenfalls eine Beauftragung nach § 12 [3] BetrSichV erforderlich ist: Flurförderzeuge, Teleskopstapler, Hubarbeitsbühnen, Krane, Bagger und Lader.1

Radlader im Einsatz bei einem Entsorgungshof für Alt-Papier
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Qualifikationsprüfung und Nachweis

Benötigen Personen eine Beauftragung, um ein Arbeits-mittel zu verwenden, ermittelt das Unternehmen die nötige Qualifikation. Gleichzeitig prüft es für jede Bedienerin und jeden Bediener individuell, ob sie oder er das festgelegte Qualifikationsniveau erreicht. Fehlen Kenntnisse, sind diese durch eine angemessene Qualifizierung zu vermitteln.¹ Ist die Beauftragung von Beschäftigten zum Verwenden eines Arbeitsmittels erforderlich, muss diese nachvollziehbar erfolgen. Auch wenn BetrSichV und TRBS 1116 dies nicht ausdrücklich vorschreiben, sollte die Beauftragung schriftlich erfolgen – beispielsweise in Form eines Fahrer- oder Bedienausweises, eines dokumentierten Arbeitsauftrags oder eines Erlaubnisscheins. Bei besonderen Anlässen, etwa nach Unfällen oder Beinahe-Unfällen, muss das Unternehmen die Beauftragung widerrufen, wenn Zweifel an der Qualifikation bestehen.

Bezogen auf das Unfallbeispiel stellt sich die Frage: Hätte das Entsorgungsunternehmen den Maschinenführer – trotz langjähriger Erfahrung – nochmals qualifizieren müssen? Dazu liefert die TRBS 1116 im Abschnitt 3.5 Absatz 4 die Antwort: „Abhängig vom individuellen Ausbildungs- und Erfahrungsstand kann auf eine Qualifizierung anteilig oder ganz verzichtet werden, wenn eine gleichwertige Qualifikation bereits erlangt wurde, zum Beispiel durch eine Berufsausbildung oder zeitnah ausgeübte entsprechende berufliche Tätigkeit, gegebenenfalls auch bei anderen Arbeitgebern.“

Im konkreten Fall konnte das Unternehmen zunächst davon ausgehen, dass durch die langjährige Tätigkeit eine entsprechende berufliche Erfahrung vorliegt. Dennoch hätte man überprüfen müssen, ob der Fahrer sich sicherheitswidrig verhalten hat – etwa durch Nachfragen im Kollegium oder bei Vorgesetzten. Außerdem hätte das Unternehmen die theoretischen Kenntnisse im Gespräch abfragen und bei Bedarf gezielt auffrischen müssen.

Um die Befähigung zu überprüfen, kann der entsprechende DGUV Grundsatz herangezogen werden – im Beispiel der DGUV Grundsatz 301-005 „Qualifizierung und Beauftragung von Fahrerinnen und Fahrern von Hydraulikbaggern und Radladern“. Beschäftigte, die eine auf das Arbeitsmittel bezogene Berufsausbildung abgeschlossen haben, gelten als qualifiziert. Grundsätzlich sollten Unternehmen individuelle personenbezogene Bewertungen und Nachweise der jeweiligen Mitarbeitenden dokumentieren.1

Umsetzung im Unternehmen

Sind die erforderlichen Kompetenzen nicht vorhanden, muss das Unternehmen geeignete Qualifizierungen anbieten. Die TRBS 1116 beschreibt rechtssicher, welche Maßnahmen notwendig sind und wie sie im Betrieb umgesetzt werden können. Auch die genannten DGUV Grundsätze erläutern, wie eine Qualifizierung konkret gestaltet werden kann und welche Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln sind (siehe Abschnitt 5 der TRBS 1116). Nach erfolgreicher Lernerfolgskontrolle darf das Unternehmen davon ausgehen, dass die Beschäftigten ausreichend qualifiziert sind. Dies entbindet es jedoch nicht von der Pflicht zu prüfen, ob die Beschäftigten die Anforderungen auch in der Praxis erfüllen.1 Die Anwendung der DGUV Grundsätze, die in der TRBS 1116 genannt werden, ist ausdrücklich zulässig – und verleiht dem berufsgenossenschaftlichen Regelwerk damit erhebliche Bedeutung.

Thomas Künzer
Aufsichtsperson der BG Verkehr

Mitarbeiter besprechen sich vor einem Radlader
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