Ein lächelnder Mann sitzt in der Kabine eines Autokrans.
© Christian Ahrens
Er behält stets die Ruhe und hat alles im Blick: Kranführer Bruno Tump an seinem Arbeitsplatz.

Bruno Tump ist das Auge im Sturm. Sein Finger bewegt den Joystick ruhig nach rechts. Sein Blick ist konzentriert. Dass über ihm 40 Meter Kranausleger in den Himmel ragen, dass gerade 18 Tonnen Last an Stahldrahtseilen daran hängen, dass um ihn herum Hochbetrieb an Radladern und Kippern herrscht – nichts davon lässt er sich anmerken. Der Autokran, den Tump bedient, gehört dem Unternehmen HKV Schmitz aus Köln und steht seit knapp einem Tag auf dem Gelände eines Steinbruchs im Hochsauerland. Hier sollen in den nächsten Tagen ein Bürogebäude sowie ein weiteres mit Sanitär- und Pausenräumen entstehen. Die Steinbruchleitung hat sich für den Bau aus Betonfertigteilen entschieden. Wo an diesem frühen Morgen nur ein Betonfundament zu sehen ist, wächst im Laufe des Tages ein Gebäude in die Höhe.

Bereits am Tag zuvor haben der Kranführer und seine Kollegen den Kran auf dem sorgsam verdichteten und geebneten Stellplatz aufgebaut. Nur wenig später kamen die ersten Gebäudeelemente an. Schritt Eins der Planung von Bauleiter Sascha Velten hat gut geklappt: Zehn Fertigteile stehen zum Aufbau bereit. Das ist möglich, weil die Elemente auf sogenannten Innenlader-Paletten an der Baustelle abgestellt werden können. Am Abend und in der Nacht lieferten Innenlader-Fahrzeuge mehr als zehn Paletten mit Wandelementen. Nun stehen die Teile zum exakt richtigen Zeitpunkt bereit, während die Fahrzeuge schon wieder unterwegs zu anderen Baustellen sind (siehe Kasten auf Seite 19). Ein riesengroßes Puzzle wartet jetzt auf seinen Zusammenbau.

© Christian Ahrens

„Der Transport auf Innenlader-Paletten erleichtert uns die Ablaufplanung ungemein“, sagt  Bauleiter Sascha Velten vom Unternehmen Dietrich Fertigbau. Er hat die Anlieferung koordiniert. Jetzt beugt er sich mit seinem Team über den Bauplan und zeigt immer wieder auf eine der nebeneinander aufgestellten Paletten. „Alle Bauteile sind nummeriert, jetzt müssen wir sie in der richtigen Reihenfolge aufstellen.” Bestandsaufnahme: Für das erste Gebäude sind alle Elemente angekommen und für das zweite Gebäude sind ebenfalls schon Teile eingetroffen. Diese lagern auf einer Abstellfläche am Rand des Steinbruchs, bis sie gebraucht werden. Das Erdgeschoss des ersten Gebäudes muss bis zum Mittag stehen, dann kommen die Deckenteile.

Direkt neben dem später zweistöckigen Gebäude befindet sich die Fahrzeugwaage des Steinbruchs. Das tägliche Verkehrsaufkommen von Kippern und Kippsattelzügen ist beträchtlich – wer aus dem Steinbruch hinausfährt, muss hier vorbei. Keine zehn Minuten vergehen, ohne dass neue Fahrzeuge über die Wiegeeinrichtung rollen. „Da sind wir froh, dass zwischendrin nicht noch fünf bis zehn Sattelauflieger mit Betonteilen auf das Abladen warten müssen“, sagt Velten. Weil die Innenlader-Paletten zu verkehrsarmen Zeiten unterwegs waren, konnten die Fahrerinnen und Fahrer sie im Steinbruch abladen, ohne sich dabei in einem potentiellen Gefahrenbereich aufzuhalten. Und die Speditionen sind froh, dass sie Ihre Fahrerinnen und Fahrer nicht zur Hauptverkehrszeit aus dem Ruhrgebiet ins Sauerland schicken müssen.

Ein Mann mit Schutzhelm steht neben einem Lastwagen und betätigt einen Hebel.
© Christian Ahrens
Fahrer Kevin Neuen senkt die Innenlader-Palette auf den Boden ab, damit der Kran sie entladen kann.

Zehn Wände, zwei Treppen

Ein Fahrer ist mit seinem Innenladerfahrzeug allerdings vor Ort geblieben: Berufskraftfahrer Kevin Neuen wartet auf dem Abstellplatz auf seinen Einsatz. Von hier zieht er nun nach und nach die Innenlader-Paletten vor, die auf der Fläche vor dem Kran keinen Platz mehr gefunden haben. Neuen hat jahrelange Erfahrung bei Sondertransporten und weiß: Seine Aufgabe ist das Fahren. Sobald er die Ladungssicherung entfernt hat, geht er im Wortsinn „aus dem Weg“.

Die genaue Vorplanung zahlt sich jetzt aus. Das Team von Bauleiter Velten schlägt ein tonnenschweres Teil nach dem anderen am Kran an. Alle drei Kollegen sind, wie Velten selbst, qualifiziert für das Anschlagen von Lasten. Das ist eine Grundvoraussetzung für diese Arbeiten. Bereits im Fertigteilewerk wurden Anschlagpunkte eingegossen, ebenso Führungen für den Bewehrungsstahl zum Verbinden der Teile. Kranführer Tump lenkt Teil für Teil mit ruhiger Hand an seinen vorbestimmten Platz in den frisch angemischten Beton.

Das Puzzle nimmt Form an

Innerhalb einer halben Stunde stehen bereits drei Wände. Komplett fertig mit allen Kabelschächten, Fenster- und Türausschnitten. Wo eben noch eine Betonfläche war, befindet sich nun ein Raum. Immer, wenn ein neues Teil an Ort und Stelle sitzt, stecken die Arbeiter Bewehrungsstahl zwischen die Wandelemente und gießen die Lücken mit Beton aus.

Obwohl das Prinzip an Modellbau erinnert, ist Fertighausbau Millimeterarbeit mit tonnenschweren Teilen. „Nur weil es einfach aussieht, ist es nicht weniger gefährlich“, sagt Ulrich Schulz, Aufsichtsperson und Fachreferent für Krane bei der BG Verkehr, der unter anderem das Mitgliedsunternehmen HKV Schmitz fachlich berät. „Ein Fehler und wir haben es mit schwersten Verletzungen zu tun. Wir mussten schon Unfälle untersuchen, bei denen Menschen von solchen Betonwänden erschlagen wurden.“ Noch vor der Mittagspause sind alle für das erste Gebäude bestimmten Innenlader-Paletten entladen. Alle Wände stehen.

Beim Einsetzen der zwei Treppenelemente gibt es noch eine Besonderheit. Petar Petrov aus Sascha Veltens Team muss die Treppe so anschlagen, dass sie bereits in der Position am Kran hängt, in der es später im Haus sitzt. Dazu müssen die Anschlagketten am oberen Ende der Treppe entsprechend verkürzt werden.

Ein Mann steht neben einem Betonteil, das an einem Kranseil hängt.
© Christian Ahrens
Petar Petrov dirigiert eines der beiden Treppenelemente in die richtige Position.

Warten auf die Lieferung

Dann heißt es warten: Zwei Sattelzüge mit den Elementen für die erste Geschossdecke sind noch unterwegs. Anders als die Wandelemente konnten sie nicht mit Innenlader-Paletten geliefert werden. Und die Stausituation auf den Autobahnen rund ums Sauerland ist auch an diesem Donnerstag angespannt. „So gut es geht, planen wir den Verkehr mit ein“, sagt Velten. „Klappt nicht immer.” Kranführer Tump hebt die Schultern: „Dann warten wir eben.“ Von Stress und Durcheinander lässt er sich ebenso wenig aus der Ruhe bringen wie von Wartezeiten.

Bauleiter Velten nutzt die Baupause für eine wichtige Besprechung: Gemeinsam mit Konrad Kaboth bespricht er den Zwischenstand der Kranbaustelle. Kaboth koordiniert für HKV Schmitz die Vorbereitung der Baustellen. Er hat in seinem Berufsleben schon unzählige Bauplätze besichtigt – seine Einschätzung ist für die Disposition des Kranbetriebs unverzichtbar. Auch jetzt machen sich Velten und Kaboth auf den Weg zu einem weiteren Bauplatz: Etwa 100 Meter entfernt soll das zweite Gebäude entstehen. Sobald die Deckenelemente von Gebäude eins an ihrem Platz sind und mit Beton verfüllt werden, zieht der Autokran dorthin um. Ein Krantag ist teuer, deshalb kann sich der Kran woanders nützlich machen, während der Beton trocknet. Kaboth und Velten legen dafür fest, wie der neue Standplatz vorbereitet werden muss. Kurz danach beginnt ein Radlader des Steinbruchs mit dem Ebnen und Befestigen des Kranplatzes.

© Christian Ahrens

Die Decke ist da

Zwei Stunden später rangiert der erste Auflieger mit den Hohlkörperdeckenteilen auf den Kranplatz. Das Timing hätte kaum besser sein können – in der Mittagszeit flaut der reguläre Steinbruchverkehr ab, die Fahrzeuge kommen sich somit nicht in die Quere. „Die Deckenteile kommen hier liegend an”, erklärt Kranführer Tump, „so müssen sie nicht gedreht werden, bevor ich sie an ihren Platz hebe.” Mithilfe der mitgelieferten Traverse setzt Tump die Deckenteile auf die bereits stehenden Wandelemente. Das Bauteam kümmert sich um die zentimetergenaue Positionierung. Weil der Kranführer die Bauarbeiter von seiner Position aus nicht mehr sehen kann, sind sie ständig per Funk mit dem Oberwagen des Krans verbunden.

Mittlerweile ist die Sonne um den Steinbruch-Abraumhügel gewandert und steht direkt auf der Baustelle. Kranführer Bruno Tump zieht seine Krantür von innen zu und lächelt: „Klimaanlage!“ Velten und seine Kollegen suchen sich einen Platz im Schatten des Neubaus, um dort auf den nächsten Sattelauflieger zu warten, der die noch fehlenden Deckenstücke bringen soll. Für das Team vom Sicherheits-Profi endet der Besuch auf der Baustelle. Wir wünschen ein gutes und sicheres Arbeiten und hoffentlich nicht allzu langes Warten. Bauleiter Velten ist zuversichtlich: „Das Haus bekommt heute auch ganz sicher noch seine Decke.” Es läuft also trotzdem alles nach Plan. „Der Lkw ist unterwegs, mehr können wir nicht tun. Wir kommen heute schon in unseren Feierabend“, sagt Kranführer Tump und lehnt sich zurück. Eben ganz das Auge im Sturm.

Moritz Heitmann
Redaktion SicherheitsProfi

© Christian Ahrens