
Bioabfälle wirken auf den ersten Blick simpel: Apfelreste, Bananenschalen, Gartenabfälle oder Kaffeesatz gehören in die grüne Tonne. Dennoch landen regelmäßig Fehlwürfe im Biomüll. Neben Glas und Metall findet sich dort häufig Kunststoff – meist in Form von Säcken. „Viele Verbraucherinnen und Verbraucher wissen nicht, dass auch kompostierbare Tüten oft nicht in die Biotonne gehören“, erklärt Eckart Willer, Referent für gefährliche Stoffe bei der BG Verkehr. „Papierbehälter oder besonders geprüfte Beutel können zulässig sein. Andere kompostierbare Tüten brauchen für den Zersetzungsvorgang zu lang.“ Also müssen sie mechanisch aussortiert werden, denn seit dem 1. Mai 2025 verpflichtet die Bioabfallverordnung (BioAbfV) Entsorgungsbetriebe dazu, den Anteil an Fremdstoffen – insbesondere Kunststoff – im Bioabfall zu senken. Welche Tüte zulässig ist, entscheidet das örtliche Entsorgungsunternehmen.
Wie lassen sich Fehlwürfe frühzeitig erkennen – bevor der Abfall die Behandlungsanlage erreicht? Einige Betriebe setzen auf Sichtkontrollen durch das Ladepersonal kurz vor der Leerung. Andere schauen nach einem halb durchgeführten Schüttvorgang in die Tonne, um auch versteckte Störstoffe zu ermitteln. Beides ist riskant. „Das Öffnen der Biotonne ist keine Lösung“, warnt Willer. „Denn dabei können Schimmelpilzsporen freigesetzt werden, die das Personal einatmet.“ Untersuchungen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin zeigen: Beim Öffnen des Deckels gelangen sogar mehr Schadstoffe in die Atemluft als beim eigentlichen Entleerungsvorgang.
Beim Öffnen des Deckels gelangen mehr Schadstoffe in die Atemluft als beim Entleerungsvorgang.
Untersuchungen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin
Klare Regelung in der TRBA 213
Die Vorgaben im Arbeitsschutz sind eindeutig. Die Technische Regel für biologische Arbeitsstoffe TRBA 213 „Abfallsammlung“ schreibt vor, dass Abfallbehälter nur mit geschlossenem Deckel an die Schüttung geführt werden dürfen. Der Deckel öffnet sich dann beim Kippvorgang von allein. Das Öffnen oder Schließen vor der Schüttung setzt vermehrt Bioaerosole frei – und erhöht damit das Infektions- und Allergierisiko. Zudem gilt: Das Personal darf weder in die Tonne greifen noch das Sammelgut mit der Hand nachdrücken. Dazu können die Mitarbeitenden aber beim geöffneten Deckel verleitet werden, und damit steigt das Risiko für Schnittverletzungen und Infektionen. Zwar dürfen Unternehmen von Technischen Regeln abweichen, aber nur, wenn sie auf andere Weise mindestens das gleiche Schutzziel erreichen. Dazu könnten technische Hilfsmittel, organisatorische Vorkehrungen, genau einzuhaltende Arbeitsabläufe oder Atemschutzmasken zählen. „Aber solange die Kontrolle beim Ladepersonal bleiben soll – als Zusatzaufgabe während des Ladebetriebs –, sind solche alternativen Schutzmaßnahmen aus unserer Sicht nicht realistisch umsetzbar“, erläutert Willer.
Heinz-Peter Hennecke, Experte für Abfallsammelfahrzeuge der BG Verkehr, ergänzt: „Einerseits gefährden eingeatmete Aerosole die Gesundheit. Andererseits besteht beim Öffnen des Deckels an Automatikschüttungen ein hohes Unfallrisiko: Gürtel, Jacken oder Handschuhe können sich verfangen und das Ladepersonal mit nach oben ziehen. Es gab bereits Unfälle mit schwersten Verletzungen, darunter auch tödliche Unfälle, die auf das manuelle Öffnen des Deckels während des Schüttungsbetriebs zurückzuführen waren.“

Technische Systeme einsetzen
Ein Öffnen des Behälters ist nicht erforderlich, wenn technische Systeme den Inhalt während des Schüttvorgangs erfassen können. So lassen sich Fehlwürfe dokumentieren und dank Behälter-Ident-Systemen einzelnen Haushalten zuordnen. Durch diese Beweisführung können Fehlwürfe geahndet werden. Ein Nachteil bleibt: Der Fremdstoff landet in jedem Fall im Abfallsammelfahrzeug und muss später im Behandlungsprozess entfernt werden. „Wir empfehlen Entsorgungsbetrieben, ihre Kundschaft immer wieder gezielt zu sensibilisieren, um Fehlwürfe von vornherein zu vermeiden“, schlägt Willer vor. Reicht das nicht aus, bleibt als letzte Maßnahme die gezielte Kontrolle durch zusätzliches, geschultes Personal. „Diese Mitarbeitenden sind auf die Aufgabe besonders ausgebildet, prüfen den Tonneninhalt vor der Leerung mit geeigneten Hilfsmitteln und tragen dabei spezielle Handschuhe sowie Atemschutzmasken.“
» Wir empfehlen Entsorgungsbetrieben, ihre Kundschaft gezielt zu sensibilisieren, um Fehlwürfe von vornherein zu vermeiden. «
In der Behandlungsanlage übernehmen Maschinen die Nachsortierung. Bagger und Radlader entfernen grobeStörstoffe direkt nach der Anlieferung – bevor das Material auf Förderbänder oder in Zerkleinerer gelangt. Moderne Anlagen setzen zunehmend auf automatisierte Verfahren, bei denen Kunststoffe, Säcke oder Folien von Kameras erkannt werden. Windsichter trennen leichte Störstoffe wie dünne Folien aus dem Materialstrom und spezielle Abscheider sortieren Metalle aus. Diese technischen Maßnahmen tragen dazu bei, die Gesundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu schützen. Und der Deckel der Biotonne bleibt zu.
Dr. Marc Sgonina
Redaktion SicherheitsProfi
Weiterführende Informationen
Abfallsammlung: Schutzmaßnahmen
TRBA 213
Bioabfallverordnung
BioAbfV
Gefährdung von Beschäftigten bei der Abfallsammlung und -abfuhr durch Keimexpositionen
Forschungsvorhaben Fb 920