
Fahrer M. war am Freitagnachmittag allein auf dem Betriebsgelände eines Kunden mit seinem Absetzkipper unterwegs. Sein routinemäßiger Auftrag: einen voll beladenen Behälter abholen und gegen einen leeren austauschen. Dabei verunglückte er schwer. Er musste mit mehreren Knochenbrüchen ins Krankenhaus eingeliefert werden.
Was war genau passiert? Der zu transportierende Container stand auf einem Schlittenwagen (▷ siehe Foto oben). Nachdem M. den Behälter für den Transport vorbereitet hatte, bediente er die Hubarme des Absetzkippers, um das Behältnis auf das Fahrzeug zu heben. Beim Anheben schob der Container den Schlittenwagen seitlich weg und traf M. mit voller Wucht auf Hüfthöhe.
Unbekanntes Unfallrisiko
Bei der Analyse des Unfalls zeigte sich, dass mehrere
Faktoren den Unfall begünstigt hatten:
- Der Behälter war mit etwa sieben Kubikmeter Klärschlamm gefüllt.
- M. hatte vergessen, die Kettenaufhängevorrichtungen auf der Beifahrerseite an den Aufnahmezapfen des Absetzbehälters einzuhängen.
- M. stand im Gefahrenbereich: Er befand sich während des Anhebevorgangs direkt neben dem zu transportierenden Behälter und einem weiteren voll beladenen Behälter (▷ siehe Foto oben).
- Auch die ungünstige Position der Last des Behälters am Rand des Schlittenwagens trug zum Unfall bei.
Wegen seiner schweren Verletzungen an Armen, Beinen und Becken konnte M. nicht sofort Hilfe rufen. Zum Unfallzeitpunkt am Freitagnachmittag befand sich sonst niemand mehr auf dem Gelände. M. schaffte es, trotz schwerster Verletzungen über die Funk-/Telefonverbindung des Fahrzeugs einen Notruf an die Disposition seines Transportunternehmens abzusetzen. Dieses leitete sofort die Rettungskette ein. M. wurde ins Klinikum eingeliefert und notoperiert. Ein Notfallkonzept für Alleinarbeiten von Fahrpersonal auf fremden Betriebsgeländen war nicht vorhanden.
Die genaue Analyse mit Dummy-Puppe half dabei, konkrete betriebliche Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen.
Unfallanalysen ermöglichen Maßnahmen
Jeder Arbeitsunfall – besonders bei schweren oder tödlichen Verletzungen – ist tragisch für die Betroffenen, deren Angehörige und die Mitarbeitenden im Unternehmen. Unfalluntersuchungen liefern oft wertvolle Erkenntnisse für betriebliche Schutzmaßnahmen. Das Unternehmen organisierte kurzfristig einen Vor-Ort-Termin zum Nachstellen und zur Analyse der unfallbegünstigenden Bedingungen. Alle relevanten Verantwortlichen – darunter Geschäftsführung, Fuhrparkleitung, Sicherheitsfachkräfte, Betreiberinnen und Betreiber der Betriebsstätte sowie die Aufsichtsperson der BG -Verkehr – beteiligten sich aktiv am Prozess. Die Beteiligten stellten den Unfall realitätsnah mit dem Unfallfahrzeug und einer Dummy-Puppe nach. Sie sammelten die Ergebnisse der Nachstellung und diskutierten anschließend intensiv über mögliche, praxisnahe Lösungen. Eine solch detaillierte Rekonstruktion des Unfallereignisses ist nicht die Regel. In diesem Fall wurde dies aufgrund der aufgeschlossenen Zusammenarbeit aller Beteiligten möglich und war vorbildlich.

Fremde Betriebsstätten und unbekannte Arbeitsmittel erhöhen das Unfallrisiko erheblich.
Aus der genauen Analyse ergaben sich konkrete betriebliche Maßnahmen. Diese orientierten sich am bewährten TOP-Prinzip: technische Maßnahmen vor organisatorischen und vor persönlichen Schutzmaßnahmen.
- Zeitnahe Überarbeitung aller Schlittenwagen: Festanschläge sorgen künftig für eine sichere und vorgegebene Positionierung der Behälter (siehe unten).
- Entwicklung eines Notfallkonzepts für solche Tätigkeiten: Gemeinsam mit dem Betreibenden der Betriebsstätte stimmten die Beteiligten zunächst organisatorische Maßnahmen ab und setzten sie um. Zusätzlich prüften sie technische Lösungen: Die Idee war der Einsatz von Personen-Notsignal-Anlagen, die automatisch einen Notruf absetzen, wenn eine Person auf dem Boden liegt oder sich längere Zeit nicht bewegt.
- Die Beteiligten nutzten das Video der Unfallnachstellung für eine interne Sonderunterweisung.
- Ergänzende Unterweisung zum Verhalten im Gefahrenbereich: Die Bedienung des Kippaufbaus ist nur außerhalb des Gefahrenbereichs zulässig. Gefahren können dabei zum Beispiel durch herabfallende Gegenstände, ausschwingende Container oder durch Klemmen/Quetschen an den beweglichen Maschinenkomponenten entstehen.

Unterstützung durch die BG Verkehr
Der verunfallte M. konnte sich vollständig von seinen Verletzungen erholen. Die BG Verkehr begleitete ihn auf diesem Weg. Nach der Operation und einem 14-tägigen Krankenhausaufenthalt benötigte er zur Stabilisierung der Brüche einen sogenannten Beckenfixateur. Dieser schränkte ihn über längere Zeit in seinen Bewegungen ein und er war im Alltag auf Unterstützung angewiesen. M. nutzte zum Beispiel einen Rollstuhl. Die Reha-Beratung der BG Verkehr besuchte ihn zu Hause, um den Umfang seines Pflegebedarfs zu klären. Außerdem benötigte er eine psychologische Betreuung, da er nach dem Unfall lange Zeit schlecht schlief und unter Albträumen litt. Die BG Verkehr übernahm die Kosten der medizinischen Erstversorgung, organisierte regelmäßige Gespräche mit der zuständigen Reha-Beraterin und zahlte Verletzten- sowie Pflegegeld, Fahrkosten, Hilfsmittel sowie die psychotherapeutische Betreuung. Schon nach sieben Monaten war M. wieder voll arbeitsfähig.
Jens Schulz
Aufsichtsperson der BG Verkehr
Weiterführende Informationen
Funkfernsteuerungen – Drahtlos im Trend
Broschüre der BG Verkehr
Einsatz von Personen-Notsignal-Anlagen
DGUV Regel 112-139
Notrufmöglichkeiten für allein arbeitende Personen
DGUV Information 212-139
Sicherer Einsatz von Absetzkippern
DGUV Information 214-016
Containerdienst
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