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Einige Pferde gehen das erste Mal zur Wei­de und sie lassen sich von allem ablen­ken, was unterwegs passiert. Anderen kann es gar nicht schnell genug gehen, sie sind ganz wörtlich schwer im Zaum zu halten. Manche Pferde haben sogar gelernt, dass sie sich losreißen und wegrennen können, sobald sie einen Huf auf die Wiese setzen. „Das alles ist gefährlich und nicht akzeptabel“, betont Axel Güldenpfennig, Fachreferent für Pferdehal­tung bei der BG Verkehr. „Im Prinzip kann man jedes gesunde Pferd halfterführig machen. Und auch jedes Pferd kann lernen, ruhig vor einem geöffneten Weidetor zu stehen, bis der Mensch das Zeichen zum Weitergehen gibt. Allerdings braucht man für die Ausbildung der Tiere die nötige Kompetenz, Geduld und mit­unter auch sehr viel Zeit.“

Grundlagen für sicheres Führen

Führübungen und Bodenarbeit gehören zum Einmaleins der Pferdeausbildung. Dabei ler­nen die Fluchttiere, die Verantwortung für ihre Sicherheit an den Menschen abzugeben. „Aus der Diskussion über die beste Trainingsme­thode hält sich die BG Verkehr komplett he­raus“, sagt Axel Güldenpfennig. „Ich möchte allerdings an bewährte Verfahren erinnern, die helfen, Verletzungen und Unfälle zu ver­meiden. Denn selbst professionell ausgebil­dete Tiere vergessen manchmal ihre guten Manieren oder erschrecken wegen außerge­wöhnlicher Situationen – darauf sollte man vorbereitet sein.“

Die Betriebsleitung trägt die Verantwortung dafür, dass Personen, die mit den Pferden umgehen, über entsprechende Kenntnisse verfügen und unterwiesen worden sind. Dazu gehört unter anderem, in welcher Reihenfol­ge die Pferde geführt werden, ob beim Führen bestimmte Probleme bekannt sind (Schlagen, Beißen), besondere Ausrüstung benutzt wird, ob sie verkehrssicher sind (Trecker und große Landmaschinen!) und wie sie auf der Weide verabschiedet und begrüßt werden. Zur Festi­gung des Wissens sind regelmäßige Unterwei­sungen vorgeschrieben.

Ausrüstung und Position am Pferd

Das Halfter muss richtig eingestellt sein und dem Pferd passen. Ob ein Stallhalfter ausreicht oder mehr Einwirkung erforderlich ist, entschei­det die Betriebsleitung, bei Pensionspferden in Absprache mit den Besitzerinnen oder Be­sitzern. Der Führstrick sollte ausreichend lang sein, damit der Kontakt erhalten bleibt, falls das Pferd einen Satz nach vorn oder zur Seite macht.

In der Gefährdungsbeurteilung legen die Ver­antwortlichen fest, wie Verletzungen beim Führen der Pferde verhindert werden. Zu den Schutzmaßnahmen kann zum Beispiel das Tra­gen von Handschuhen, Sicherheitsschuhen oder einer Reitkappe gehören. In der Dämme­rung oder bei Dunkelheit ist Warnkleidung ein wichtiges Sicherheitsplus.

Der Mensch führt immer über einen Strick oder Zügel und nicht über einen direkten Griff ins Halfter. In der Regel sollte das Pferd rechts vom Menschen gehen, der sich etwa zwischen Kopf und Schulter bewegt. Zügel oder Führstrick ver­laufen von oben nach unten durch die aufrechte rechte Faust. Das lose Ende wird offen in der lin­ken Hand gehalten. Niemals darf der Strick beim Führen auf dem Boden schleifen oder um die Hand gewickelt werden!

Warum Handschuhe?

Wird ein Strick mit hoher Zugkraft in der bloßen Hand durchgezogen, ähneln die Folgen einer Ver­brennung. Dies bestätigen die Unfallmeldungen an die BG Verkehr sowie eine aktuelle Untersuchung der Medizinischen Hochschule Hannover. Die Ver­antwortlichen der dortigen Notfallambulanz für Handchirurgie werteten die Fälle der Jahre 2016 bis 2021 aus, die durch das Reiten oder den Umgang mit dem Pferd verursacht wurden (die Verletzten waren sowohl Amateure als auch Profis). Ergebnis: Die meisten Unfälle ereigneten sich beim Führen eines Pferds, darauf folgen Stürze und Verletzun­gen durch Bisse. Neben Hautabschürfungen und Knochenbrüchen kam es bei etwa einem Viertel der Betroffenen zu Amputationsverletzungen, weil sich ein Zügel oder Führstrick um die Finger geschlungen hatte. Nur rund 30 Prozent der Verletzten hatten Schutzhandschuhe getragen. Die Daten wurden Ende 2024 in dem Fachjournal „Archives of Ortho­paedic and Trauma Surgery“ veröffentlicht. 

Ohne Hektik auf die Weide

Ist der Weg bis zum Tor geschafft, bleibt als letzte Hürde der Übergang auf die Weide. Nur zu oft ist es hier mit der Disziplin vorbei – und das ist ge­fährlich! In der Praxis hat sich bewährt, die Pferde nach dem Betreten der Weide konsequent mit dem Kopf zum Tor oder zur führenden Person zu wen­den, das Tor ruhig zu schließen und anschließend das Halfter abzunehmen. Eine Schleuse zwischen Tor und Weide erleichtert den Übergang erheblich! Über die Frage, ob beim Abschied ein Leckerli ein­gesetzt wird, kann man diskutieren. Die Aufsichts­personen der BG Verkehr und unser Fachreferent für Pferdehaltung beraten Sie gern.

Dorothee Pehlke
Redaktion SicherheitsProfi