
Viele unserer Leserinnen und Leser kennen das Innenleben der BG Verkehr nicht so genau. Welche Aufgaben haben Sie als Vorstandsvorsitzende?
Harms: Als Vorstandsvorsitzende vertreten wir die BG Verkehr nach innen und nach außen. Die Vertretung nach außen stellt hierbei einen Schwerpunkt dar. Wir bringen uns als BG Verkehr in politische Diskussionen ein, besonders was die Gestaltung der gesetzlichen Unfallversicherung, deren Ausrichtung und Gewichtung anbelangt. Wir verzeichnen im Bereich der sozialen Selbstverwaltung aus mehreren politischen Richtungen Störfeuer, gegen das wir uns behaupten müssen.
Wurzel: Als Vorstandsvorsitzende müssen wir aufpassen und anregen. Aufpassen, dass das, was besprochen und beschlossen worden ist, auch so weiterverfolgt wird. Und anregen, dass das, was im Rahmen der BG Verkehr beschlossen wird, auch draußen bei den Verbänden ankommt und Beachtung findet. Und umgekehrt natürlich auch.
Was motiviert Sie, sich ehrenamtlich in der BG Verkehr zu engagieren?
Harms: Selbstverwaltung heißt Selbstgestaltung. Das ist in der berufsgenossenschaftlichen Welt um ein Mehrfaches besser möglich als bei anderen Sozialversicherungsträgern. Mich motiviert, dies bei der BG Verkehr verantwortlich mitzugestalten.
Wurzel: Die Arbeit als Vorstandsvorsitzender macht nicht immer Spaß, aber sie bereitet Freude. Unsere Aufgabe ist es, das Arbeitsumfeld sicherer zu machen. Wenn wir das erreichen, macht es mir Freude und motiviert mich. Es motiviert mich auch, wenn wir durch Erfolge in der Präventionsarbeit den Kolleginnen und Kollegen zeigen können, dass sich Prävention lohnt und damit Geld gespart wird. Und auch, dass durch gute Präventionsarbeit menschliches Leid erspart bleibt, motiviert mich ungemein.

„Die Fahrerassistenzsysteme müssen technisch noch besser werden.“
Stefan Wurzel, Vorstandsvorsitzender der BG Verkehr auf Arbeitgeberseite
Welche Ziele haben Sie sich für diese Amtszeit gesetzt?
Wurzel: In den letzten 20 Jahren hat sich die BG Verkehr erfolgreich für Fahrerassistenzsysteme eingesetzt, die zahlreiche Unfälle verhindert haben. Da sind wir aber nicht am Ende. Wir müssen uns weiter um die Assistenzsysteme kümmern. Die Assistenzsysteme müssen technisch noch besser werden und eine größere Verbreitung finden. Das trägt dazu bei, schwere Unfälle zu verhindern und die Fahrer zu entlasten. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) kann dazu einen wichtigen Beitrag leisten. Sehr am Herzen liegt mir auch die Entwicklung des Trauma-Lotsen-Programms. Mit diesem Programm hilft die BG Verkehr Versicherten, die bei der Arbeit Schreckliches erlebt haben, ihre Traumata zu überwinden und schnell wieder in ihr Leben und zu ihrer Arbeit zurückzukehren.
Harms: Wir müssen uns als politisch agierende BG in die politische Diskussion einschalten und uns dabei schützend vor das jetzige System der gesetzlichen Unfallversicherung stellen. Wir können in der Welt der Berufsgenossenschaften für die Versicherten und unsere Mitgliedsunternehmen Leistungen auf einem extrem hohen Niveau erbringen. Wir brauchen kein Modell analog den Krankenversicherungen mit ihren hauptamtlichen Vorständen. Zweitens werden wir uns dafür einsetzen, dass wir mit dem Verbund der BG Kliniken eine eigene Kliniklandschaft mit einer Spitzenmedizin und extrem gutem Leistungsangebot behalten. Wir müssen darauf achten, dass dies in den Diskussionen um die Krankenhausreform berücksichtigt wird. Die BG Kliniken sind Aushängeschild und der Beweis für die Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Unfallversicherung. Und drittens: Wir müssen als Vorstandsvorsitzende dafür sorgen, dass die wichtigen Themen aus den Präventionsfachausschüssen übergreifend für die gesamte BG Verkehr diskutiert werden. Beispiele dafür sind die Themen KI oder auch das Arbeiten im Homeoffice. Dies betrifft nahezu alle Unternehmen und muss mit guter Präventionsarbeit begleitet werden. Was mir ein weiteres wichtiges Anliegen ist: Gutes tun und darüber sprechen. Bei der Darstellung unserer Leistung gegenüber Mitgliedsunternehmen und Versicherten, aber auch nach außen. Dabei haben wir sicherlich noch Luft nach oben.
Herr Wurzel, Sie vertreten die Arbeitgeberseite. Sie, Herr Harms, die Versichertenseite. Sind da Differenzen nicht programmiert?
Wurzel: Wir müssen uns sowieso immer einigen. Sonst wird nichts entschieden. Natürlich gibt es Diskussionen, aber da beide Seiten wissen, dass wir einen Kompromiss finden müssen, werden sie konstruktiv geführt.
Harms: Das Schöne an der sozialen Selbstverwaltung ist, dass es niemand mit einem doppelten Stimmrecht gibt, der in Streitfragen entscheidet. Wir können uns auf dem Weg zu einer Entscheidung noch so irre streiten. Wenn ein Kompromiss gefunden worden ist, vertreten wir ihn gemeinsam nach außen. Das ist wichtig für uns, gerade nach dem Neustart mit vielen neuen Selbstverwalterinnen und Selbstverwaltern. Wir alle wollen die gesetzliche Unfallversicherung modern gestalten. Dafür ringen wir um den besten Weg für die Versicherten und die versicherten Unternehmen. Stillstand will niemand. Daher: selbstverwalten und Zukunft gestalten.

„Wir müssen uns schützend vor das jetzige System der gesetzlichen Unfallversicherung stellen.“
Die deutsche Wirtschaft, und nicht zuletzt die Verkehrswirtschaft, steckt in einer schwierigen Lage. Was bedeutet das für die BG Verkehr als gesetzliche Unfallversicherung?
Wurzel: Das macht unsere Arbeit natürlich auch schwieriger. In dem Moment, wo beispielsweise aus konjunkturellen Gründen die Lohnsummen sinken, ist auch weniger Geld für Ausgaben da. Darauf muss sich die BG Verkehr dann einstellen. Wir müssen auch darauf achten, die Beiträge so lange wie möglich stabil zu halten, um die Unternehmen nicht zusätzlich zu belasten. Gleichzeitig haben wir noch eine andere Aufgabe: Wir müssen unseren Mitgliedsunternehmen vermitteln, dass es sich auf lange Sicht nicht lohnt, an Prävention, Schulungen und Sicherheitsfachkräften zu sparen. Das sind Investitionen, deren Streichung sich irgendwann rächt.
Harms: Jeder in Arbeits- und Gesundheitsschutz investierte Euro ist ein gut investierter Euro. Diese Diskussion ist für uns vor dem Hintergrund der angespannten Lage in einigen Branchen schwierig zu führen. Aber es nützt nichts. Unser Ziel dabei ist ganz klar.
Interview:
Björn Helmke
Redaktion SicherheitsProfi