Geschicklichkeitsparcours mit einem Gabelstapler
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Neben monotonen Tätigkeiten umfassten die Messungen der Studie auch komplexe Aufgaben.

Staplerfahrerinnen und -fahrer, die unter Cannabiseinfluss Lkw mit wertvoller Fracht be- oder entladen: Für die meisten Führungskräfte von Unternehmen ist allein die Vorstellung ein Graus. Nicht zuletzt, weil sie auch Unfälle bei der Arbeit befürchten. Deshalb folgen viele Unternehmen den Empfehlungen der gesetzlichen Unfallversicherung und verbieten Cannabiskonsum am Arbeitsplatz komplett. Doch im privaten Rahmen greifen manche Beschäftigte trotzdem zum Joint. Deshalb sind gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse darüber nötig, wie sich Hasch, Marihuana und Co. auf Leistung und Fehlerhäufigkeit bei der Arbeit auswirken.

Die Berufsgenossenschaft für Handel und Warenlogistik (BGHW), Schwesterorganisation der BG Verkehr, wollte die Erkenntnislücke verkleinern und gab eine Studie in Auftrag. Das Institut für Rechtsmedizin an der Ludwig-Maximilians-Universität München und die Deutsche Gesellschaft für Verkehrspsychologie stellten 32 Probandinnen und Probanden auf einem Versuchsgelände vor jeweils vier Aufgaben mit dem Stapler. Die Staplerfahrenden absolvierten die Aufgaben zunächst nüchtern, dann unter Cannabiseinfluss in zwei unterschiedlichen Dosierungen. Gemessen wurden Fahrleistung, also wie schnell die Fahrenden die Aufgaben erledigten, Fahrfehler und psychische Leistungsfähigkeit wie Aufmerksamkeit und Reaktionszeit zu vier verschiedenen Zeitpunkten. Dazu wurden die Testfahrerinnen und -fahrer zu subjektiven Einschätzungen wie Müdigkeit, Motivation oder erlebter Beanspruchung befragt.

Blutabnahme, um die Auswirkungen des Cannabis-Konsums zu dokumentieren
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Während der Studie wurde regelmäßig Blut entnommen, um den THC-Wert zu messen.

Kiffen macht leichtsinniger

Das erste überraschende Ergebnis: Das Bild von antriebslosen Kiffenden erhärtete sich in dieser Studie nicht. Im Gegenteil: Unter Cannabiseinfluss steigerte sich die Fahrleistung signifikant, wobei ein Teil der Verbesserung auch auf Übungseffekte zurückzuführen ist. Nicht so überraschend: Bei steigendem Einfluss von Tetrahydrocannabinol (THC) ging auch die Zahl der Fehler in die Höhe, wenngleich an diesem Punkt die statistische Signifikanz fehlte. Auf jeden Fall war die mittlere Fehleranzahl eine Stunde nach dem Cannabiskonsum am höchsten und ging bei den weiteren Messungen nach drei und fünf Stunden langsam wieder zurück.

Auch parallele medizinische Untersuchungen brachten interessante Resultate. Die aufgrund von Blutuntersuchungen ermittelten toxikologischen Ergebnisse zeigten, dass der Auf- und Abbau der gemessenen THC-Werte im Körper relativ individuell vonstattengeht. Ein THC-Maximum wird nach einer Stunde erreicht und es dauert zwischen drei und sechs Stunden, bis sich die Messwerte dem Ausgangswert angleichen. Dazu passt die durch Befragung ermittelte Stimmungsveränderung, die in den ersten beiden Stunden nach Konsum am deutlichsten ist. Die Zahl der Koordinationsfehler ist jedoch noch nach fünf Stunden klar höher als zum Startzeitpunkt.

Fazit des Forschungsteams: Individuelle Unterschiede (Motivation, subjektive Wirkung von Cannabis) und situative Faktoren (Müdigkeit, erlebte Beanspruchung) spielen eine größere Rolle als die THC-Konzentration. „Die Anwendung pauschaler THC-Grenzwerte ist unzureichend, da sie die tatsächliche Leistungsfähigkeit nur unbefriedigend abbilden und keine Dosis-Wirkung-Beziehung hinsichtlich der Leistungsfähigkeit etabliert werden kann“, sagt Prof. Matthias Graw, Vorstand am Institut für Rechtsmedizin der Ludwig-Maximilians-Universität München, der gemeinsam mit Prof. Dr. Wolfgang Fastenmeier von der Psychologischen Hochschule Berlin die Studie leitete. Der aktuell im Straßenverkehr geltende Grenzwert von 3,5 Nanogramm pro Milliliter THC (ng/ml THC) sei eine rein politische Festlegung.

Acht Stunden Pause

Die Studie gibt konkrete Empfehlungen ab, wann Personen, die Cannabis zu sich genommen haben, wieder arbeiten oder am Straßenverkehr teilnehmen können. Hierbei sei es notwendig, zwischen gelegentlichen und regelmäßigen Einnahmen zu unterscheiden. Gelegentliche Konsumentinnen und Konsumenten sind laut Studie diejenigen, bei denen isolierte Einnahme vorliegt und die nach der Nutzung eine Pause einlegen. „Wir empfehlen nach Konsum eine Wartezeit von einer Nacht, also acht Stunden, nicht zu unterschreiten“, sagt Graw. Eine Einnahme vor oder während der Arbeit sei nicht zu tolerieren, da sicherheitsrelevante Einschränkungen der Leistungsfähigkeit zu erwarten sind, auch bei einer Konzentration unter 3,5 ng/ml THC.

Bei täglichem oder mehrfach täglichem Hochkonsum hält Graw eine Verkehrsteilnahme oder Arbeit in sicherheitskritischen Bereichen grundsätzlich für ausgeschlossen. Diese solle erst nach einer längeren Abstinenz über mehrere Wochen wieder in Erwägung gezogen werden. Dr. Bernd Mützel, Leiter der Arbeitsmedizin bei der BG Verkehr, ergänzt: „Klare Regeln zum Cannabiskonsum im Betrieb sind das eine. Auf der anderen Seite rate ich den Führungskräften, den Beschäftigten im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements Angebote zum Stressabbau zu machen und sie für Suchtgefahren zu sensibilisieren. Aus arbeitsmedizinischer Sicht ist es übrigens egal, ob solche Drogen legal sind oder nicht – sie schaden der Gesundheit und gefährden Menschen bei der Arbeit.“

Björn Helmke
Redaktion SicherheitsProfi